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Archiv-Artikel

Zweite Geige beim Tarif

Die Bremer Philharmonie schränkt Tarifleistungen für Neumitglieder ein – zwecks Existenzsicherung. Für Kritiker ist es eine Zweiklassen-Gesellschaft

Bremen taz ■ Auf der Pressekonferenz herrschte allgemeine Zufriedenheit: „Die Bremer Philharmoniker GmbH sind als bundesweites Modellprojekt auf einem hervorragenden Weg“, sagte Kultursenator Peter Gloystein (CDU). „Ein wichtiger Schritt in die Zukunft“, sagte der Geschäftsführer der Bremer Philharmoniker, Christian Kötter. „Die grundsätzliche finanzielle und politische Zusage der Stadt Bremen hat bei den Musikern Vertrauen geschaffen, sich auf neue Wege einzulassen“, sagte Gregor Daul vom Betriebsrat des Orchesters.

Anlass für das allgemeine Lob sind die neuen Beschäftigungsbedingungen in der Bremer Philharmoniker GmbH. Künftige Orchestermitglieder, so das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat, werden zwar auf der Grundlage des Tarifvertrags für Kulturorchester bezahlt, ein Anrecht auf Zuschläge wie ein 13. Monatsgehalt oder Weihnachtsgeld besteht jedoch nicht. Ob und in welcher Höhe Zuschläge an neue Orchestermitglieder gezahlt werden, entscheiden Betriebsrat, Geschäftsführung und Aufsichtsrat jährlich neu.

Für Geschäftsführer Kötte bedeutet dieses Tarifmodell Zukunftssicherung für das Orchester. „Wir wollten präventiv etwas entwickeln, nicht erst kurz vor der Insolvenz.“ Wirtschaftlich schwierige Zeiten erforderten neue Strukturen: „Wenn ich sehe, dass in den letzten zwölf Jahren über 30 Orchester geschlossen wurden, muss man überlegen, ob man mit dem Kopf durch die Wand will.“

Möglich ist die nun in Bremen eingeführte Einschränkung der Tarifbindung dank der Umwandlung des ehemaligen Philharmonischen Staatsorchesters in die Bremer Philharmoniker GmbH 2002. Seitdem sind die MusikerInnen nicht mehr nur ArbeitnehmerInnen, sondern über einen Verein auch zu 26 Prozent GesellschafterInnen ihres Orchesters. Je weitere 26 Prozent halten die philharmonische Gesellschaft, die Stadt Bremen sowie 22 Prozent das Bremer Theater. Die Privatisierung – und die damit verbundenen Auslagerung von Finanz-und Geschäftsführung aus der Kulturbehörde – hat der Senat mit einem zusätzlichen Zuschuss von einer Million Euro pro Jahr bis 2007 honoriert.

Doch während Betriebsrat und Geschäftsführer die Erhöhung der Abonnementzahlen auf 1.600, die neue Kinder- und Jugendarbeit und die hinzugewonnenen acht Musikerstellen preisen, hört man aus der Deutschen Orchestervereinigung kritische Stimmen. „Die Jungen müssen die ganze Last tragen“, kritisiert Geschäftsführer Gerald Mertens: „Eine Zweiklassen-Gesellschaft als Reform zu verkaufen, finde ich doppelbödig.“ In Städten wie Hannover habe das Orchester geschlossen auf das 13. Monatsgehalt verzichtet. „In Bremen hat man die Privatisierung mit der Besitzstandswahrung der alten Orchestermitglieder erkauft“, klagt Mertens. Philharmoniker-Chef Kötte spricht dagegen von einem „Generationenmodell“, das flexibel auf finanzielle Herausforderungen reagieren könne. Friederike Gräff