: Zweimal die Welt verbessern
■ Hanno Kriegs Dokumentarfilme und plötzlich war das Leben schöner und That's reality, Hanno untersuchen die Sehnsucht nach Anstand und Moral
Im nachhinein bewerten Heinz und Hannelore Krieg, Vater und Tante des Filmmachers, ihre aktive Zeit bei der „Moralischen Aufrüstung“ sehr kritisch: „Wenn ich heute zurückdenke, war ich doch nur eine Marionette“, reflektiert Hannelore Krieg ihre Teilnahme bei der Bewegung von Weltverbesserern, die nach dem zweiten Weltkrieg auch in Deutschland ihre Anhänger fand. Angelehnt an christliche Moralvorstellungen wollte man die Nachkriegsgesellschaft ideologisch unterstützen. Mit dem Ziel einer „besseren“ Welt mit „guten“ Menschen versammelten sich ehemalige Nazis und Kommunisten unter einem Dach. Für Konrad Adenauer erschien das christliche Bündnis als passende Gelegenheit, Deutschlands guten Willen zu demonstrieren.
Die Geschwister Krieg hofften, in der neuen Weltanschauung Vergebung zu finden. Und plötzlich war das Leben schöner erlebte Heinz Krieg während seiner Mitarbeit bei der „Moralischen Aufrüs-tung“. Seine Schilderungen lassen aber auch die Gefahren erkennen, die sich hinter der strategischen Vorgehensweise dieser Organisation verbargen. So sieht er heute in der „Kunst, Menschen zu ändern“ eine bedenkliche „Psychotechnik“, mit der Druck auf potentielle Neumitglieder ausgeübt wurde. Ein Buch mit diesem Titel enthielt Anleitungen, nach denen sich die Beteiligten verhalten sollten. Motiviert durch die Auseinandersetzung mit Schuld und Vergebung versucht Heinz Krieg, früher „gläubiger Nazi“, mit seinem Engagement wiedergutzumachen.
Hier wird das Hauptinteresse des Dokumentarfilmers Hanno Krieg deutlich: Aus welchem Bedürfnis heraus organisieren sich Menschen in diesen Gruppen, die oft auf Grundlage strenger Maßregeln operieren? Nach welchen Mustern funktionieren solche Organisationen?
Fragen, die sich dem Zuschauer bei dem zweiten Film des Abends That's reality, Hanno ebenso stellen. Die „Guardian Angels“, eine uniformierte Truppe 16- bis 32-Jähriger, will die Einwohner Berlins vor Gewalt, Rassismus und Sexismus in U-Bahnen schützen. „Die Leute brauchen einen. Wir tun wenigstens was, wir helfen. Ist manchmal 'n ganz schöner Drecksjob“, sagen Toto, Snake und die Amazone. Hanno Krieg zog mit der Gang nächtelang durch U-Bahn-Schächte und Trainingsbunker. Seine Kamera jagt dabei nicht den spektakulären Messerstechereien nach, sondern blickt hinter die Kulissen, sucht die Motive der Gruppe, organisiert Gutes zu tun.
„Du musst dich selbst aufgeben, um es richtig zu machen“, ist die Devise der selbsternannten U-Bahn-Wächter, die wie Marionetten den schroffen Befehlen einer charismatischen Anführerin gehorchen, die sich für ihre Rolle bei den „Angels“ zwar berufen fühlt, angeblich aber gar keinen Gefallen daran findet und viel lieber idyllisch mit ihren Tieren auf dem Lande leben würde.
Isabel Gentsch
und plötzlich war das Leben schöner: Mi, 26. 1., 19 Uhr That's reality, Hanno (zu Gast: Hanno Krieg): Mi, 26.1., 21.15 Uhr, Metropolis
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