piwik no script img

Zwei gute Gründe

Mean, moody and magnificant: Jane Russell, das erste und ausdauerndste Busenwunder der Filmgeschichte, wird morgen 75 Jahre alt  ■ Von Lars Penning

Mit ihrem großflächigen, beinahe viereckigen Gesicht wirkte Jane Russell nicht unbedingt wie eine klassische Schönheit. Auf einigen Fotos sieht sie sogar geradezu unvorteilhaft aus, doch für ihren Aufstieg zum Star gab es zwei gewichtige Gründe, die der legendäre Howard Hughes, ein Filmliebhaber und notorischer Tüftler, anläßlich des Films „Macao“ (1951) sogar mit einem selbstkonstruierten Büstenhalter zu stützen versuchte: Russell war der erste „Busenstar“, die Vorreiterin einer Entwicklung, die ihren grotesken Höhepunkt schließlich in einer Karikatur wie Jayne Mansfield und den Ikonen von Russ Meyer fand.

Die in Minnesota geborene und in Burbank, Kalifornien, aufgewachsene Russell arbeitete nebenberuflich als Fotomodell, als sie 1939 im Alter von 18 Jahren von Hughes, der damals die Produktion des Western „The Outlaw“ vorbereitete, entdeckt wurde. Regie führen sollte Howard Hawks, der auch sogleich mit den Probeaufnahmen betraut wurde. Schließlich bekam Russell die Rolle des Halbbluts Rio, einer Frau zwischen zwei Outlaws. Vor Beginn der Dreharbeiten nahm Russell noch schnell Schauspielunterricht, zunächst in der Schule von Max Reinhardt, dann bei der ebenfalls renommierten Maria Uspenskaja. Doch große Schauspielkünste waren bei „The Outlaw“ nicht gefragt: Hawks schmiß bereits nach zwei Wochen das Handtuch, und der Amateur Hughes übernahm selbst die Regie. Man kann nur spekulieren, was Hawks mit Russell hätte anfangen können. Hughes jedenfalls beschränkte sich darauf, ihre Oberweite ins rechte Licht zu rücken. Die dramaturgische Funktion ihrer Figur bleibt unklar, denn „The Outlaw“ erzählt eine Liebes- und Eifersuchtsgeschichte unter Männern, in der die Frau noch nicht einmal den Wert eines Pferdes besitzt. Als Billy the Kid vor die Wahl gestellt wird, entweder Doc Hollidays Pferd oder seine Freundin (Russell) zu behalten, entscheidet sich Billy für das edle Roß. Sehr zum Unwillen Hollidays übrigens, der gehofft hatte, Billy würde die Frau wählen.

Unter welchem Aspekt Hughes seine Darstellerin betrachtete, wird auch aus einem Memo zu „Macao“ deutlich, in dem er sich angesichts der ersten Muster über ihre Garderobe beklagt: „Bei allen anderen Kleidern wünsche ich einen tiefen Ausschnitt (und mit tief meine ich so tief, wie das Gesetz es erlaubt), so daß das Publikum den Teil von Russell sehen kann, für den es bezahlt, und nichts, das von Stoff, Metall oder sonst was bedeckt ist.“

Als „The Outlaw“ 1943 mit großem Werbeaufwand herausgebracht wurde, war Russell bereits ein Star. Der von Hughes beauftragte PR-Agent Russell Birdwell hatte ganze Arbeit geleistet: Als Pin-up war sie im Herzen und im Spind der amerikanischen Soldaten verankert, an der Heimatfront lächelte ihr Konterfei von allen Plakatwänden und den Titelseiten der Illustrierten. Die Publicity für den Film war ganz auf ihre Person abgestellt: Russell sei „Mean, Moody and Magnificent“, lautete der bekannteste Slogan. Doch wie zu erwarten, ergaben sich Schwierigkeiten mit der Zensur: Nach sieben Wochen wurde der Film von Hughes aus dem Verleih genommen. Um acht Minuten gekürzt kam „The Outlaw“ erst 1946 wieder ins Kino; weitere Kürzungen erfolgten für eine Wiederaufführung im Jahre 1949. In dieser Zeit ließ Hughes Russell, die bei ihm seit 1939 exklusiv unter Vertrag stand, nur einen einzigen weiteren Film drehen („Young Widow“, 1946). Er fürchtete, Russells Marktwert könnte sinken, noch ehe „The Outlaw“ kommerziell ausgewertet sei. Daß es Hughes' Werbestrategen über all die Jahre hinweg gelang, Russell in der Öffentlichkeit im Gespräch zu halten, ist eine mehr als erstaunliche Leistung. Doch das eigentliche Wunder geschah, als Russell endlich loslegen durfte: Hughes hatte 1948 die RKO Studios erworben und forcierte nun verstärkt ihre Karriere. Zwar erwies sie sich nicht unbedingt als besonders vielseitige Schauspielerin, doch sie besaß ein natürliches Talent: Russell hatte Humor und Charme – und im Gegensatz zu ihrem Image als Sexbombe spielte sie nun immer häufiger souveräne Frauen, die ihr Schicksal selbst bestimmen und allen Gefahren gelassen trotzen. Über ihren Schauspielstil bemerkte Russell in einem Interview mit John Kobal: „Im Film bin ich weitgehend ich selbst. Ich blieb immer ziemlich nah an dem, was ich in einer gegebenen Situation empfinden würde.“ Sie verkörperte die Westernheldinnen Calamity Jane und Belle Starr (in „The Paleface“, 1948, und in „Montana Belle“, 1948/52), während die Filme „His Kind of Woman“ (1951) und „Macao“ sie als in öden Provinznestern oder Hafenkneipen gestrandeten „Lady Tramp“ zeigten – Frauen, die den Unbilden des Lebens trotzend nie Courage und Selbstachtung verloren. Im „tough guy“ Robert Mitchum fand sie in beiden Filmen den idealen Partner: Bei besserem Ausgangsmaterial hätte das coole Paar vielleicht einen ähnlichen Ruf wie Humphrey Bogart und Lauren Bacall erlangen können. Doch „His Kind of Woman“ erwies sich eher als Camp-Klassiker, ein film noir, der sich selbst nicht ernst nehmen mag und mit lauter bizarren Einfällen aufwartet. Zwischendurch bügelt Mitchum sogar einmal sein Geld.

Die Produktion von „Macao“ stand unter keinem guten Stern: Von Josef von Sternberg begonnen, verlangte Hughes nach Sichtung der Muster eine ganze Reihe von Nachaufnahmen, so daß Nicholas Ray letztlich den halben Film neu drehen mußte.

Ihren größten Erfolg erzielte Russell mit ihrer Rolle als männermordende Brünette in Howard Hawks' Musical-Klassiker „Gentleman Prefer Blondes“ (1953). Hawks trieb Russells Sexbomben- Image ins Extrem: Als Nymphomanin würde sie am liebsten eine ganze Olympiamannschaft vernaschen. Doch im Verhältnis zu ihrer Freundin Lorelei (Marilyn Monroe) zeigt sie mit Beschützerinstinkt und wahrer Loyalität zwei weitere Markenzeichen ihrer Leinwandpersönlichkeit. Nachdem ihr Vertrag mit Hughes 1954 ausgelaufen war, gründete Russell mit ihrem damaligen Ehemann eine eigene Produktionsfirma, die 1955 mit „Gentlemen Marry Brunettes“ ihr Debut gab. Ihre Partnerin in dem Paris-Musical war diesmal Jeanne Crain, doch die Rollen sind vertauscht: Russell verkehrt sämtliche Eigenschaften, mit denen man sie gemeinhin identifiziert, ins Gegenteil und spielt das Revuegirl Bonnie als naive, unselbständige Frau, deren Schwester (Crain) ständig auf sie aufpassen muß. Doch Russells Ausbruchsversuch aus ihren stereotypen Rollenklischees war kein besonderer Erfolg beschieden.

Obwohl sie von 1964 bis 1970 noch einmal fünf unwichtige Filme drehte, klang Russells Karriere eigentlich bereits 1957 mit der Komödie „The Fuzzy Pink Night Gown“ langsam aus. Später trat sie in Nachtclubs auf, machte Werbung für BHs und engagierte sich für Waisenkinder. Heute lebt Jane Russell gesund und munter in Santa Barbara. Am Freitag wird sie 75 Jahre alt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen