: Zwei Schüsse vor der NPD-Herberge
RECHTSEXTREMISMUS In Niedersachsen haben Neonazis ein leerstehendes Hotel besetzt. Angeblich hat es ein hoher Funktionär der Nationaldemokraten gepachtet. Erste Auseinandersetzungen gab es bereits
HAMBURG taz | Von der Straße führt ein kurzer Weg durch ein parkähnliches Grundstück. Leicht heruntergekommen wirkt das weiße Fachwerkhaus mit rotem Dach und Anbau. Im „Landhaus Gerhus“ konnten früher etwa 80 Personen nächtigen. Bis vor einer Woche stand das Hotel im niedersächsischen Faßberg leer. Dann haben Neonazis das Anwesen bezogen. Vor kurzem fielen dort Schüsse.
Am vergangenen Wochenende soll es auf dem etwa 8.000 Quadratmeter großen Gelände im Landkreis Celle zu Auseinandersetzungen mit Linken gekommen sein. Ein Polizeisprecher erklärte, am frühen Sonntagmorgen seien vermummte Personen auf das Grundstück eingedrungen. Sie fotografierten einen Neonazi aus Faßberg vor dem Hotel. Der 18-Jährige alarmierte seine Kameraden, die versuchten die Vermummten zu stellen. „Zwei Schüsse aus einer Waffe sind hierbei gefallen“, sagt der Polizeisprecher. Der Faßberger Neonazi soll geschlagen und verletzt worden sein. „Wir gehen davon aus, das die Eindringlinge aus der linken Szene stammen“, betont der Sprecher. Wer aber die Waffe einsetzte und was für eine es war, konnte die Polizei nicht sagen. Patronenhülsen seien bisher noch nicht gefunden worden. Seit diesem Freitag fährt die Polizei jetzt regelmäßig Streife am Hotel. Faßbergs Bürgermeister Hans-Werner Schlitte (parteilos) hofft, dass „der braune Spuk schnell vorbei ist“.
Einer schnellen Zwangsräumung des Hotels widersprach aber die Staatsanwaltschaft Lüneburg in dieser Woche. Der Grund: Rechtlich ist unklar, ob es sich um eine illegale Besetzung handelt. Der NPD-Bundesvizechef Jürgen Rieger will mit der Eigentümerin einen Pachtvertrag vereinbart haben. Der Vertag trägt als Datum genau den Tag, bevor Gläubiger der Hotelbesitzerin vor Gericht die Einsetzung eines Zwangsverwalters für die Immobilie erwirkten.
Schon vor einem Jahr versuchte Rieger die Immobilie zu erwerben. Die Gemeinde hatte sich jedoch ein Vorverkaufsrecht gesichert. „Wir fanden einen Investor, der das Hotel für 750.000 Euro erworben hätte, um ein Pflegeheim zu eröffnen“, sagt Schlitte der taz. Die Eigentümerfamilie hätte aber abgelehnt, weil Rieger angeblich 1,3 Millionen zahlen würde. Der Zwangsverwalter strebt derweil eine einstweilige Verfügung zur Räumung an. Ergebnis: offen. ANDREAS SPEIT