: Zwei Frauen kämpfen um die Macht
■ Vier Monate nach den letzten Parlamentswahlen sollen die Stimmberechtigten in Bangladesch schon wieder an die Urnen
Delhi (taz) – Zum zweiten Mal innerhalb von vier Monaten dürfen morgen rund 60 Millionen Abstimmungsberechtigte in Bangladesch an die Urnen. Das am 15. Februar gewählte Parlament hatte nur eine Lebensdauer von wenigen Wochen, bevor der Staatspräsident es am 30. März auflöste. Der Wahlboykott durch alle großen Oppositionsparteien und die nach dem Urnengang unvermindert anhaltenden Streiks hatten der Regierung keine andere Möglichkeit gelassen, als zurückzutreten. Der Gewinn von 328 der insgesamt 330 Parlamentssitze wurde für Premierministerin Khaleda Zia zur Peinlichkeit, weil er bei einer Wahlbeteiligung von nur 15 Prozent zustande gekommen war.
Die letzten Tage des Wahlkampfes waren geprägt von schweren Zusammenstößen zwischen Parteigegnern: Allein am letzten Wochenende starben vierzehn Menschen. Die Zusammenstöße fanden meist zwischen Vertretern der oppositionellen Awami-Liga und der „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) statt – den Hauptkonkurrenten um die Mehrheit im Parlament. Die feindliche Stimmung im Parteivolk wird verschärft durch die offene persönliche Feindschaft zwischen den beiden Parteiführerinnen, Sheikh Hasina und Khaleda Zia. Meinungsumfragen deuten auf ein Kopf-an- Kopf-Rennen hin. Wahrscheinlich wird keine von beiden eine absolute Mehrheit erringen. Dies hat unter westlichen Diplomaten die Furcht erhöht, daß ihr Streit, der das Land über Monate lahmgelegt hatte, wieder aufflammen könnte. Damit würde das Risiko wachsen, daß die Armee eingreift – zum vierten Mal in der 25jährigen Geschichte des Landes.
Bei einem Wahlausgang ohne klaren Sieger könnten zwei weitere Parteien eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung erhalten: die „Jatiya Party“ des ehemaligen Präsidenten General Mohammed Erschad und die „Jamaat Islami“. Beide hatten sich im Streit zwischen Khaleda Zia und Sheikh Hasina auf die Seite der Chefin der Awami-Liga gestellt. Dies führte allerdings nicht zu Wahlabsprachen, und die Programme der Parteien heben sich stark voneinander ab. Der Zwang der Zahlen könnte die Parteien zu einem Zusammengehen zwingen, ohne damit eine stabile Regierungsführung zu garantieren. Die Jamaat verfolgt eine islamistische Ideologie, die sich stark von der säkularistischen Awami-Liga abhebt. General Erschad seinerseits sitzt eine zwölfjährige Gefängnisstrafe ab. Der Wahlkampf seiner Jatiya-Partei war dominiert von der Forderung nach seiner Freilassung. Doch in der Awami-Liga, die 1990 seinen Sturz bewerkstelligte, ist das Mißtrauen gegen den Ex- Militärherrscher stark.
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