piwik no script img

■ Tour de FranceZwanzig Pässe gegen Miguel Induráin

Berlin (taz) – „Mir tun jetzt schon die Beine weh“, grauste sich der Franzose Jean-François Bernard, nachdem er den Kurs der Tour de France 1993 erfahren hatte. Miguel Induráin, Sieger der beiden letzten Jahre, runzelte erschüttert die Stirn und murmelte: „Ziemlich hart, nicht wahr?“ Angesichts der haushohen Überlegenheit, die der Spanier bei der letzten Frankreich-Rundfahrt an den Tag gelegt hatte, waren die Organisatoren in erster Linie bemüht, der 80. Tour de France (3. bis 25. Juli 1993) ein ausgeprägtes Anti- Induráin-Profil zu verleihen.

Zwar wurde der große Wunsch seines hartnäckigsten Verfolgers, des kleinen, zähen Italieners Claudio Chiappucci, endlich mal ein schweres Bergzeitfahren einzuschieben, nicht erhört, dafür ist die Strecke jedoch so bergig wie selten zuvor. Fünf brutale Kletteretappen stehen auf dem Programm, die Vorentscheidung über den Gesamtsieg wird diesmal in den Pyrenäen fallen, die im letzten Jahr nicht Teil der Tour waren. Auf der 16., 17. und 18. der insgesamt 20 Etappen sind sämtliche Klassiker des Gebirges, unter anderem die hundsgemeinen Pässe über Tourmalet (2.115 Meter), Peyresourde (1.569 Meter), Bonaigua (2.072 Meter) und Aubisque (1.709 Meter) zu überwinden. Auch in den Alpen geht es hoch hinaus, obwohl der legendäre und spektakuläre Aufstieg nach L'Alpe d'Huez diesmal fehlt. Dafür müssen sich die Fahrer auf dem 11. Abschnitt in die stolze Höhe von 2.802 Metern auf den Col de Bonette quälen, nachdem tags zuvor schon die gefürchteten „Hügel“ Glandon (1.951 Meter) und Galibier (2.645 Meter) zu bewältigen waren.

Zum Trost für Miguel Induráin gibt es auch bei der Tour '93, die ausschließlich durch Frankreich führt, zwei lange Zeitfahren, die Spezialität des Spaniers. Vor allem das 55 Kilometer lange Rennen gegen die Uhr am vorletzten Tourtag wird ihm die Gelegenheit geben, die Sekunden bzw. Minuten, die er möglicherweise in den Bergen verloren hat, aufzuholen. Eine Taktik wie in diesem Jahr, als sich Induráin voll auf die Zeitfahren verließ und das Rennen im Gebirge von den Hinterrädern der Rivalen aus kontrollierte, könnte bei soviel giftigen Steigungen wie 1993 jedoch zum Scheitern verurteilt sein. „Ich verberge nicht meine Freude über die Perspektive einer solchen Menge Gebirges“, sagte Claudio Chiappucci voller Genugtuung.

Insgesamt 20 Pässe, davon neun höher als 2.000 Meter, sind während der 3.800 Kilometer zu erklimmen – „eine wahre Tour de France“, wie der Ire Stephen Roche findet. Charly Mottet aus Frankreich bezeichnet die Strecke als „sehr ausgewogen“, und auch José Miguel Echavarri, sportlicher Direktor von Induráins Banesto- Team, ist keineswegs überrascht: „Es scheint mir logisch, daß die Organisation ein größeres Gleichgewicht angestrebt hat, einen Wettkampf, der offener für alle Möglichkeiten ist.“ Der größte Nörgler ist logischerweise Miguel Induráin selbst, der die Pyrenäen, obwohl er dort bereits phänomenale Erfolge gefeiert hat, so gar nicht liebt: „Für mich werden die Pyrenäenetappen sehr schwer werden. Ich hätte weniger Berge vorgezogen oder, wenn es schon sein muß, weniger Pyrenäen und mehr Alpen.“

Keine Sorgen um den eleganten Basken macht sich indes der fünfmalige Tour-Gewinner Bernard Hinault: „Wenn Miguel so fährt wie das letzte Mal, glaube ich nicht, daß ihn jemand erreichen kann, egal wie viele Berge es gibt.“Matti

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen