■ QUERBEET: Zwangsarbeiter berichten
Schon lange ist überraschend, wie wenig nachtragend die Bevölkerung der osteuropäischen Länder in der Begegnung mit Nachkriegsdeutschen reagiert; beispielgebend die weit verbreitete Einstellung, dass Vergangenheit irgendwann nicht mehr Hypothek für die Zukunft sein soll. Doch zum Besuch ehemaliger Stätten des Leidens bedarf es noch weit größerer Überwindung, egal, wie weit die Betroffenen den Tätern theoretisch verziehen haben mögen. Hoch ist dies deshalb jedem einzelnen ehemaligen KZ-Insassen oder Zwangsarbeiter anzurechnen, der sich wieder nach Deutschland begibt. Verschiedene haben den Schritt schon getan – und die Absicht, Bewegung in die immer wieder festfahrende Entschädigungsdiskussion zu bringen, kann ihnen nicht unterstellt werden. Verarbeitung der Geschichte durch mündliche Weitergabe könnte ein Ziel sein, Information der jüngeren Deutschengeneration und – vielleicht – ein Milligramm Erleichterung angesichts der Tatsache, dass inzwischen wenigstens die leidvollen Erfahrungen der Hochbetagten gewürdigt werden. Zum Internationalen Frauentag hat daher der Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Natalija Fjodorowna Radtschenko aus Weißrussland und Ekaterina Nasarowna Sleptschenko aus der Ukraine nach Hamburg eingeladen: Im Billstedter Kulturpalast im Wasserwerk werden beide Frauen von ihren Erfahrungen erzählen – einige der letzten lebenden Opfer einer Täterschaft, für die sich immer noch kaum jemand verantwortlich fühlt. Im April 1944 wurde Natalija Radtschenko in das Frauen-KZ Ravensbrück eingeliefert, um im August desselben Jahres in das Außenlager Hamburg-Wandsbek des KZ Neuengamme gebracht zu werden, wo sie in der Gasmaskenproduktion der Firma Dräger arbeitete. Im KZ Ravensbrück begann auch, im Oktober 1944, der Leidensweg von Ekaterina Sleptschenko; kurz später wurde sie in das Außenlager Beendorf des KZ Neuengamme transportiert, wo sie in einem Salzbergwerksstollen arbeitete. Wenige überlebten den Räumungstranport, der im April 1945 von Beendof nach Hamburg führte; Ekaterina Sleptschenko war eine von ihnen. Befreit wurden sowohl Natalija Radtschenko als auch Ekaterina Sleptschenko am 3. Mai 1945 von britischen Truppen. Von den tief ins Bewusstsein gefrästen Bildern eigenen und fremden Elends wird sie niemand mehr befreien können.
Donnerstag, 20 Uhr, Kulturpalast im Wasserwerk, Öjendorfer Weg 30 a
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen