: Zurück zur Kulturwüste
Im Haushaltsentwurf des Finanzsenators ist für Kultur kein Platz mehr. Die PDS droht deshalb erstmals mit einem Koalitionskrach, und ein CDU-Stadtrat will eher eine Oper als im Bezirk streichen
von UWE RADA und STEFAN ALBERTI
Zurück zur Kulturwüste, das scheint derzeit das Motto von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) zu sein. Neben einer achtprozentigen Senkung des Haushalts für Kultur, Wissenschaft und Forschung ist von weiteren Einsparungen in Höhe von 170 Millionen Euro für die nächsten beiden Jahre die Rede. Das geht aus einem vertraulichen Eckwerteentwurf zu den geplanten Haushaltskürzungen hervor, den Sarrazin Kultursenator Thomas Flierl (PDS) zugestellt hat.
„Diese Einsparungen werden wohl ausschließlich im Kulturbereich anfallen“, meinte gestern die grüne Vorsitzende des Kulturausschusses, Alice Ströver. Der Grund: Im Wissenschaftsetat seien die meisten Ausgaben bereits vertraglich gebunden. Die Einsparsumme, die Flierl auch den Oppositionsparteien mitgeteilt hat, ist, so Ströver, „jenseits von gut und böse“. Dem pflichtete auch CDU-Haushaltsexperte Alexander Kaczmarek bei: „Wenn diese Eckdaten vom Finanzsenator nicht zurückgenommen werden, kann der Kultursenator einpacken. Dann kann man den Laden gleich dichtmachen.“
Auf Bezirksebene sieht Dieter Hapel (CDU), Kulturstadtrat in Tempelhof-Schöneberg, Bildung und Kultur regelrecht ausbluten. „Ich weiß noch nicht mal, wie ich die Programme für die Volkshochschule drucken lassen soll“, sagte er am Rande einer CDU-Fraktionsklausur. Für neue Medien in der Bibliothek soll zudem nur ein Fünftel der bisherigen Summe vorgesehen sein. Für Hapel, bis Mitte Februar Vize-Landeschef der CDU, ist daher auch die Schließung eines Opernhauses kein Tabu mehr. „In dieser Situation vergreife ich mich auch an Heiligtümern“, sagte er. Dem widersprach allerdings Parteifreund Kaczmarek. „Eine Opernschließung ist keine Lösung.“
Nicht nur in der Opposition haben die Kürzungspläne Unmut ausgelöst. „Wenn der Finanzsenator bei diesen Vorgaben bleibt, dann hat nicht nur der Kultursenator ein Problem, sondern auch die Koalition“, sagte der PDS-Abgeordnete Wolfgang Brauer. „Mit solchen Methoden kann man vielleicht eine Bahn sanieren, aber keinen Landeshaushalt“, spielte er auf Sarrazins früheren Job bei der Deutschen Bahn an. Brauer ging aber davon aus, dass der Finanzsenator seine Vorgaben noch einmal überdenkt.
Um weder die Bibliotheken in den Bezirken noch eines der drei Opernhäuser schließen zu müssen, setzt der PDS-Abgeordnete Brauer deshalb auf eine verstärkte Hilfe vom Bund. Doch die derzeitigen Gespräche würden sich selbst bei einem erfolgreichen Abschluss erst ab 2004 im Haushalt niederschlagen. Bis dahin, so Brauer, dürften aber nicht mit voreiligen Schließungen und Kürzungen strukturpolitische Fakten geschaffen werden.
Doch der Fahrplan von Finanzsenator Sarrazin steht. Ab dem heutigen Montag soll es keine Möglichkeit mehr für einzelne Ressortverhandlungen geben. Und bereits auf seiner Klausur am kommenen Wochenende will der rot-rote Senat den Entwurf für den Doppelhaushalt 2002/2003 verabschieden.
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