: Zurück zu Heim und Herd
Salto rückwärts bei der Kita Card: Berufstätige Frauen sollen bei Platzvergabe ganz hintenanstehen. Jugendamt: Ist nur ein Vorschlag ■ Von Kaija Kutter
„Liebe Frau Meier. Leider können wir Ihnen keinen Kita-Platz geben. Ihr Mann verdient zuviel.“ So oder ähnlich könnten demnächst Ablehnungsbescheide für einen Kita-Ganztagsplatz lauten, wenn umgesetzt wird, was das Amt für Jugend in der Schulbehörde derzeit diskutiert. In einem Papier über „Mögliche Bewilligungskriterien“ für ein „Kita-Card-System“, das der taz hamburg vorliegt, steht die Berufstätigkeit beider Eltern mit Rang 5 an letzter Stelle.
Mehr Chancen haben Mütter, die arbeiten müssen, weil der Lebensunterhalt sonst „nicht gesichert“ ist. Sie stehen aber immer noch hinter „pädagogischen Gründen“ und den Bedarfen Alleinerziehender, die auf Berufstätigkeit angewiesen sind. Sind sie es nicht, werden sie auf Platz 4 zurückgestuft. Ehefrauen verdienender Männer sind danach die ersten, die nach der Babypause – nur zwei Prozent der Väter nehmen Erziehungsurlaub – zuhause bleiben müssen: Denn ohne Bewilligung kein Kita-Platz, ohne Platz kein Job.
„Wir sind nicht bereit, mit zu entscheiden, welche Eltern künftig keinen Platz bekommen“, sagt Elimar Sturmhoebel vom alternativen Wohlfahrtsverband Soal (sozial & alternativ), dem das Fünf-Punkte Papier beim Spitzentreffen zwischen Wohlfahrtsverbänden und Jugendamt am 7. September vorgelegt wurde. Die Behördenvertreter hätten dort deutlich gesagt, dass es den Etat sprengen würde, wenn alle berufstätigen Eltern den ursprünglich versprochenen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz erhielten. Dies ginge aus den Ergebnissen der Iska-Studie hervor (Institut für soziale und kulturelle Studien), die den künftigen Bedarf abschätzen soll und die das Amt seit Monaten unter Verschluss hält.
Ein Treffen am Freitag, bei dem auch über andere Auswahlkriterien beraten werden sollte, wurde von Jugendamtsleiter Jürgen Näther erst am Vormittag abgesagt. Sturmhoebel fühlt sich „verschaukelt“. Seit anderthalb Jahren sei man mit der Behörde am Verhandeln, „und nun, wo deutlich wird, dass sie das Problem nicht geknackt kriegen, wird ein Termin nach dem anderen gekippt“. Das Amt, so Sturmhoebel, müsste „endlich in den sauren Apfel beißen und zugeben, dass die Kita-Card nicht kostenneutral machbar ist“.
„Wenn das alles kein Geld kos-ten würde, wären wir längst über dem Berg“, räumt Näther gegenüber der taz ein. In dem Papier vom 7. September habe man die „Möglichkeit durchgespielt“, dass es zu keinem erweiterten Rechtsanspruch kommt. Welche Schlüsse daraus gezogen werden, müsse „die Politik entscheiden“.
SPD-Jugendpolitiker Thomas Böwer, der durch mehr als 120 Kitas zog und bei Eltern mit der Aussicht auf einen Rechtsanspruch für das Kita-Card-System warb, zeigt sich nach wie vor zuversichtlich. Die Iska-Studie und das daraus abgeleitete Papier „kenne ich nicht“, räumt er jedoch ein. Erst nach den Herbstferien werde die Studie der Bürgerschaft zugestellt und am 23. November im Jugendausschuss beraten.
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