KOMMENTAR: Zurück in die Zunkunft? Nein danke!
■ Die Durchsuchung der Parteizentrale der PDS ist unverhältnismäßig
Der Vorgang ist ebenso bemerkenswert wie ungeheuerlich: In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wird in der Parteizentrale der PDS in Berlin eine Durchsuchung durchgeführt, Verdacht auf Veruntreuung gibt die Staatsanwaltschaft bekannt. Bis hierhin befriedigt die Botschaft durchaus den aufgeklärten Bürgersinn: Parteien stehen eben nicht außerhalb des Gesetzes, auch wenn sie über manches grundgesetzlich verankerte Privileg verfügen. Parteifinanzen interessieren immer, nicht erst seit den schleimigen Transaktionen der ehemaligen Blockparteien und dem wuchernden Gerüchtewesen um die PDS. Gerne hätten wir ähnlich deutliche Ermittlungen öfter gesehen, die Stichworte „Flick“ und „Parteispenden- Affäre“ erinnern auch an allerhand verpaßte Gelegenheiten der Vergangenheit.
Die Bundestagsabgeordneten der PDS befinden sich offensichtlich doch im rechtsfreien Raum. Die Räume der Abgeordneten Gysi und Modrow wurden trotz Immunität einfach mitdurchsucht. Das ist nicht, wie der verantwortliche Staatsanwalt herunterspielte, ein „Mißgeschick“, das ist ein politischer Skandal.
In der Tat ist die PDS in unserer neudeutschen Parteienlandschaft der Sonderfall. Eine Metamorphose wie diese haben wir noch nicht erlebt. Die SED-PDS-Linke Liste war die Staatspartei der DDR. Und der radikale Bruch mit diesem Teil der Geschichte — sprich: Auflösung und Neuaufbau — ist etwa vom Parteivorsitzenden Gysi nicht zufällig immer wieder auch mit dem Hinweis auf das zu erhaltende Vermögen abgelehnt worden. Was wir nun aber im Zusammenhang mit der PDS erleben, angefangen von den Wahlrechts-Verrenkungen der Bonner Alt-Parteien bis hin zur „Gefahr im Verzuge“-Aktion mit 150 Beamten, gibt dem Sonderfall eine Sonderbehandlung — Tendenz Ausgrenzung aus dem politischen Spektrum statt Auseinandersetzung.
Sind wir also doch in den fünfziger Jahren gelandet? Das ist eher zwanghaftes Wiedererkennen- Wollen. Trotzdem bleibt so etwas wie die PDS- Durchsuchung ein Testfall gegen den Rückfall. Der 3. Oktober sollte ein Wendepunkt in eine neue Normalität sein, weg von den dauernden Ausnahmesituationen des vergangenen Jahres, der unbeobachteten Exekutive und den atemlosen Kontrolleuren. Wer bei der politschen Auseinandersetzung mit der PDS mal eben so hinter die Gewaltenteilung zurückfällt, dem muß die rote Karte gezeigt werden. Deshalb darf man gespannt sein auf die demokratischen Wortmeldungen der in letzter Zeit manchen Re-Education-Offizier in den Schatten stellenden westdeutschen Parteipolitiker, eine harsche Rüge von Frau Bundestagspräsidentin ist selbstverständlich auch fällig.
Und auch wir — verstanden als ganz schlichtes „Wir“ der in diesem Land mit allerhand unterschiedlichen Ausweispapieren Lebenden — können einiges dafür tun, daß die neue Bundesrepublik nicht Stoff für die Modernisierung des Begriffs „Banananrepublik“ hergibt. Georgia Tornow
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