: Zur Debatte nach Lübeck
■ betr.: „Liebe für das Gute an sich“, taz vom 29. 1. 96
Nach Mariam Niroumand dürfen bei unseren Reaktionen auf den Brandanschlag in Lübeck folgende Faktoren keine Rolle spielen: die vorherigen Brandanschläge, die deutsche Tätergeschichte, die Asylgesetzgebung, die Asylpraxis, die Unterbringung der Asylsuchenden, die Sorge um die psychischen Schäden der Verfolgten, aber auch nicht die Idealisierung der Wilden.
Nur die Vernunft, die reine Vernunft darf mitreden! Zu unvernünftig, Frau Niroumand! G. Aparicio, Stuttgart
Die Frau hat ja sooo recht. Angesichts der bescheuerten Prämissen der deutschen Frömmel- und Blödlinken (und ihres Zentralorgans) ist es leider notwendig, daß jemand genau die Selbstverständlichkeiten konstatiert, die Niroumand konstatiert. Ralf Kleinworth, Mannheim
Warum ist die Vorstellung von einem kriminellen Ausländer so schwer zu ertragen? Weil wir uns immer noch schuldig fühlen. So sind wir halt, wir Deutschen, wir Kinder der Täter, die Nachkriegsgeneration, die Alt-68er. Ich finde das ganz in Ordnung. Ich fände es gar nicht so schlimm, wenn mehr Leute in Deutschland so dächten. Das schadet doch gar nichts, wenn wir uns jetzt nach Lübeck noch ein bißchen mehr quälen und die paar Aktiven in den Flüchtlingsinitiativen noch ein bißchen aktiver werden!
Doch, das wissen wir natürlich, daß viele der Flüchtlinge nicht diese edlen Wesen sind, Heroen des politischen Widerstandes in ihren Ländern, als die wir sie gerne hätten. Die Wirklichkeit in den Flüchtlingswohnheimen ist ernüchternd – aber ich will mir deshalb noch lange nicht den von Mariam Niroumand geforderten Pragmatismus aneignen, der darin besteht, „halbwegs brauchbare Unterkünfte zur Verfügung zu stellen“. Es klingt ja vielleicht unvernünftig und uneinsichtig für Mariam Niroumand, aber wir müssen uns da abarbeiten und schuldig fühlen. Da helfen keine Appelle. Das ist unser Schicksal. Wir können nicht anders. Wir sind halt Deutsche. Ich fände es schlimm, wenn es anders wäre. Helmut Schulz, Stuttgart
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