: Zur Auslese gezwungen
betr.: „Neu: Lehrer braucht das Land“, taz vom 23. 9. 04
Der Artikel spiegelt sehr gut das Dilemma der Schule wider. Die Studie der OECD wird von den Verantwortlichen (?) akademisch mit Spitzfindigkeit nach Ruhestörung untersucht, der Hang, alles doch bitte beim Alten zu lassen, lautstark zum Ausdruck gebracht. Man wehrt sich gegen die Diagnose und versucht es erst einmal mit Hausmitteln. Oder Ignoranz. […]
Dass die Studie auch an dem seelischen Zustand der Lehrer ansetzt, der Motivationslosigkeit der Schüler, sollte den „Weichenstellern“ unserer Bildungspolitik aber zu denken geben. Zum Umdenken! Könnte es nicht wirklich so sein, dass das Schulsystem per se Probleme verursacht? Dass (auch gute) Lehrer gegen eigene Überzeugung gezwungen sind, auf Auslese zu unterrichten anstatt auf Bildung? Dass Schüler die Schule als Exekutionskommando ohne faire Verteidigung erleben? Wir bewegen uns zur Zeit gesellschaftlich in eine verhängnisvolle Richtung. Eine bestimmende Schicht hat den Kontakt zur Basis verloren. Sie ist im Glauben, dass, wenn es der Elite gut geht, alles in Ordnung ist. Da irrt sie sich so gewaltig wie der Kokainsüchtige, der sich gut fühlt und die kräftezehrende Behandlung des Körpers ausklammert. Vielleicht machen es uns einige Wirtschaftsunternehmen vor, wie gute Ausbildung einer Führungselite aussieht. Sie schicken ihre Manager in spe erst einmal zum Kistenauspacken.
DANIELA SELBERGHannover