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■ StörzeileZunge ab!

Es gab einmal Zeiten – sie scheinen beinahe lang vorbei –, da glaubte man, die Ächtung körperlicher Strafen markiere den Fortschritt des Zivilisationsprozesses. Und lange davor gab es Zeiten, da Pillen gegen Dummheit noch geholfen haben.

Und doch, es war nicht Doktor Eisenbart, sondern Karl-Heinz Ehlers, innenpolitischer Sprecher der Hamburger CDU, der sich am vergangenen Samstag in der MoPo mit der Forderung nach der „Spritze gegen Sexualstraftäter“ als Vollstrecker des gesunden Volksempfindens empfahl.

Anregung dazu fand Ehlers im Sonnenstaat Kalifornien, der außer einem freizügigen Waffenrecht auch die Traummaschine Hollywood zu bieten hat, wo einfache Lösungen nur so vom Band laufen. Von hier stammt die schlichte Idee, Sexualverbrecher nur aus der Haft zu entlassen, wenn sie sich regelmäßig eine Depotspritze gegen den Sexualtrieb verabreichen lassen. Eine supereinfache Lösung für die überaus komplexe Problematik des Kindesmißbrauchs.

Und nach einfachen Lösungen verlangt es Ehlers. Innere Sicherheit wollte er stets herstellen durch Abriß der bunten Hafenstraßenhäuser. Kinder will er nun vor Mißbrauch schützen, indem er „Schwanz ab!“ fordert. „Hand ab“ für Diebstahl liegt nahe, und Gründe zum Köpfen lassen sich dann auch bald finden.

Einfach war schon die alttestamentarische Drohung, daß jedes überflüssige Wort ewig in der Hölle gesühnt werden muß. Zeigte Ehlers sich davon beeindruckt, hätte er sich in diesem Leben schon öfter an seiner Zunge verschluckt.Julia Kossmann

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