: Zunehmender Pessimismus bei Konjunkturerwartung
■ Wirtschaftsverbände und Parteien reihen sich in die Front der Skeptiker ein
Bonn (dpa/taz) - Nachdem die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem gemeinsamen Frühjahrsgutachten ihre Wachstumsprognose tiefer angesetzt haben, wobei die Erwartungen zwischen 2 realem Wirtschaftswachstum differieren, ziehen nun auch andere Wirtschaftsexperten nach.Wachstumsprognosen werden allenthalben nach unten korrigiert. Nur die Arbeitslosigkeit, deren Bekämpfung auch im Aufschwung kaum voran kam, soll auf ihrem hohen Stand verharren. Bei der Vorlage seiner traditionellen Frühjahrsumfrage konstatierte der Deutsche Industrie– und Handelstag (DIHT): „Der Wachstumspfad für die deutsche Wirtschaft wird steiniger.“ Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl nannte die Konjunktur „pflegebedürftig“. Der Deutsche Sparkassen– und Giroverband, dessen Präsident Helmut Geiger sich schon vor Monaten vom amtlichen Optimismus abgesetzt hatte, sah die Konjunkturampel auf gelb springen. Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hielt die weitere Entwicklung des Sozialprodukts für offen. Die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung habe „eine Pause eingelegt“, meinte der Bundesverband deutscher Banken. Das Münchner Ifo– Institut berichtete von wachsendem Pessimismus in der Industrie. Während Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann (FDP) noch auf der 2,5–Prozent– Marke des Jahreswirtschaftsberichts besteht, ist sein Vorgänger Otto Graf Lambsdorff (FDP) inzwischen davon überzeugt, daß diese Zielprojektion nicht mehr erreichbar sei. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) kassierte seine 2,5prozentige Wachstumsprognose und traut der Bundesrepublik, deren Sozialprodukt 1986 noch 2,4 Prozent zulegte, jetzt nur noch 1,9 Prozent zu. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD–Opposition, Roth, befürchtet, daß die Bundesrepublik mit 2,2 Millionen registrierten Arbeitslosen in einen erneuten Konjunkturabschwung geraten könnte, was „geradezu zu einer Katastrophe auf dem Arbeitsmarkt“ führen müsse. Große Hoffnungen setzen die Konjunkturpropheten auf Verbraucher und Investoren. Die privaten Haushalte sollen 1987 einen größeren Teil ihres Einkommens für den Konsum verwenden als im Vorjahr. Ob all dies ausreicht, die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Die Daten deuten zunächst einmal zumindest auf eine Abschwächung des Wirtschaftsaufschwungs hin. Die Auftragseingänge waren ein halbes Jahr rückläufig. Am schlechtesten schneiden hier die Bestellungen aus dem Ausland ab. In dem Frühjahrsgutachten wird deshalb auch die Ausfuhr als die Schwachstelle der Konjunktur ausgemacht. Die Bundesrepublik ist wie kein anderes wichtiges Industrieland vom Export abhängig. Geht der Welthandel zurück, wirkt sich dies hierzulande stärker aus als in Japan oder in den USA, wo die heimischen Märkte größer sind. geo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen