■ Kommentar: Zum Wohle!
Wenn Henning Voscherau heute im Bundesrat die Hand hebt und dem Transrapid vorläufig freie Fahrt in Richtung Hamburg erteilt, dann „zum Wohle der Stadt“ und zu nichts anderem. Mit diesem „Wohl“ hat er begründet, warum er nicht bereit ist, die Beschlüsse seiner Partei umzusetzen. Warum ihn auch die Meinung seiner Fraktion nicht interessiert und erst recht nicht die der Bürgerschaft.
Dieser Griff zur Floskel scheint gut überlegt, schließlich entbindet das „Wohl der Stadt“ denjenigen, der es definiert, von jeglicher sachlicher Begründung. Jedenfalls fast. Über das „Wohl der Stadt“ läßt sich nur argumentieren, wenn derjenige, der es im Auge zu haben vorgibt, es schon einmal näher definiert hat. Und welch ein Glück: Voscherau hat das getan, im allgemeinen und auch im besonderen Fall des Transrapid.
Im allgemeinen bedeutet Handeln zum „Wohl der Stadt“ derzeit vor allem, das hat Voscherau nach den letzten Bürgerschaftswahlen oft genug betont, Handeln zum Wohl des „kleinen Mannes“. Der darf sich, falls der Transrapid tatsächlich irgendwann einmal schwebt, künftig eine Rückfahrkarte für mindestens 200 Mark kaufen, wenn er nach Berlin fahren will, statt einer ICE-Karte, die vielleicht die Hälfte kostet. Wessen Wohl?
Aber der ICE kommt doch gar nicht! Sagt in diesem Moment Bürgermeisters gutes Gewissen und führt uns so zum „Wohl der Stadt“ im besonderen Fall des Transrapid. Die Stelzen, so Voscheraus Argument, sind doch das einzige Angebot, das Bonn für eine schnellere Verbindung Hamburg - Berlin macht. Transrapid oder gar nix rettet das „Wohl der Stadt“.
Welch ein Selbstbetrug! Als könne es sich eine – egal, welche – Bundesregierung erlauben, die beiden größten deutschen Metropolen nur mit einem Bummelzug zu verbinden! Ein Aberglaube, der nur einem Wohl dient: dem des Transrapid-KOnsortiums. Uli Exner
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