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Zum Wechselkurs 1 : 2

■ Wer höhere Löhne fordert, muß sagen, woher das Geld kommen soll

Ein Billiglohnland sieht Ingrid Matthäus-Maier in der DDR aufkommen, falls die beiden deutschen Regierungen der Empfehlung der Bundesbank nachkommen, bei der Währungsunion ein Umrechnungsverhältnis von zwei DDR-Mark zu einer D-Mark zugrundezulegen. Schon hier hat die SPD-Politikerin nur zur Hälfte recht. Ein Billiglohnland zeichnet sich nämlich durch ungeheure Extraprofite aus, die die investierenden Kapitalisten aufgrund des Mißverhältnisses aus Produktivität und Lohnhöhe einstreichen. Wer wollte aber hier behaupten, daß den maroden Kombinaten am Tag der Einführung der D-Mark großartige Extraprofite winken? Die haben vielmehr mit der Frage zu kämpfen, woher sie überhaupt Devisen erwirtschaften sollen, um für zwei Ost-Mark eine West-Mark in die Lohntüte abzufüllen. Viele wissen noch nicht, wo sie ihre Produkte losschlagen sollen, und sind heilfroh, daß sie mit den Leichtwährungsländern des zusammenbrechenden RGW noch Lieferverträge haben. Die simple Umwandlung in Kapiptalgesellschaften klingt zwar nach finanzieller Potenz, schafft aber erstmal keine auch noch so muntere Mark heran. Sollen möglichst alle DDR-Betriebe noch den Abend des Tages X erleben, so macht das Verhältnis von 1:2 durchaus Sinn. Eine im deutsch-deutschen Vergleich gerechte Lohnhöhe nutzt nämlich dann gar nichts, wenn der Arbeitsplatz weg ist. Dann ist der Lohn auf Null. Das ist so ähnlich wie beim schön und gerecht klingenden Recht auf Arbeit, wenn kein Betrieb bereit ist, mich einzustellen.

Es gibt aber noch einen anderen Unterschied zum gemeinen Billiglohnland. Das zeichnet sich in aller Regel durch eine mehr oder minder starke Unterdrückung der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen aus. Im Gegensatz dazu hat sich in den letzten Monaten in der DDR ein gehöriges Widerstandspotential gezeigt. Auf betrieblicher Ebene fehlt hier zwar noch jedwede Erfahrung. Aber in dieser Hinsicht würde eine tatkräftige Unterstützung seitens des DGB auf fruchtbaren Boden stoßen. Sie wäre auf jeden Fall dringlicher als ein pauschales Lamento über ein zu niedrig angesetzes Umtauschverhältnis von 1:2. Der Tag X wird schließlich die Eröffnung eines heißen Sommers oder Herbstes einläuten.

Die Umrechnung von 1:2 heißt ja nicht, daß nicht noch am selben Tag in denjenigen Betrieben Lohnverhandlungen mit dem Ziel auf doppelte oder dreifache Erhöhungen aufgenommen werden - in den Betrieben oder Kapitalgesellschaften, die sich das erlauben können, oder auch in dann neu gegründeten Unternehmen. Und wenn dann diejenigen Klitschen, die sich das nicht erlauben können, aufgrund eines Massenexodus ihrer Angestellten Konkurs anmelden, sollte das für die Arbeitnehmer allemal angenehmer sein, als wenn sie die Pleite im Betrieb aufgrund unbezahlbarer Löhne noch selbst miterleben. Es ist schon verwunderlich, wie wenig man in der DDR über die Vorbereitung auf den Tag X Vorbereitung und die Unterstützung der Gewerkschaftsapparate aus dem Westen hört.

Wer höhere Löhne für die DDR-Betriebe fordert, muß sagen, woher sie bezahlt werden sollen. Wer darauf keine Antwort weiß, und nur auf Zuschüsse aus der Bonner Bundeskasse kommt, mag auch dazu seine Berechtigung haben. Aber diese Zuschüsse können kommen, ganz gleich ob der Kurs am Tag der Umstellung bei 1:1 oder 1:100 angesetzt wird. Dann muß man um die Höhe der Zuschüse feilschen, nicht um den Umrechnungskurs.

Ulli Kulke

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