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Archiv-Artikel

Zum Scheitern verurteilt

Der grüne Geheimdienst-Kontrolleur Matthias Güldner will – anders als die SPD – keinen NPD-Verbotsantrag unterstützen. Der Grund: Noch immer seien zu viele Spitzel in der Partei

MATTHIAS GÜLDNER ist Fraktionschef der Grünen und Mitglied in der parlamentarischen Kontrollkommission der Bremischen Bürgerschaft.

Interview: CHRISTIAN JAKOB

Nach den Angriffen auf acht Inder im sächsischen Mügeln sagte die NPD, zu dem Vorfall wäre es nicht gekommen, wenn die Politik sich an die Parole „Kinder statt Inder“ gehalten hätte. Nun hat SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen für ein neues Verbotsverfahren gegen die Partei plädiert. Hat er Recht?

Matthias Güldner, Fraktionschef der Grünen: Einer bremischen Initiative für ein NPD-Verbot würde ich zum jetzigen Zeitpunkt die Zustimmung verweigern. Die Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht 2003 hat die demokratischen Institutionen geschwächt und die NPD gestärkt. So würde es auch diesmal enden.

Warum?

Das Bundesverfassungsgericht hatte damals moniert, dass die nötige Trennschärfe zwischen Informanten des Verfassungsschutzes (VS) und den authentischen Parteikadern nicht gegeben war. Das ist nach wie vor der Fall.

Gilt das auch für Bremen?

Sowohl beim ersten Verbotsverfahren 2003 als auch im Moment besteht das Problem nur in anderen Ländern und auf Bundesebene – aber nicht hier.

Dann stehen Sie in diesem Fall also auf der Seite der CDU? Die lehnt die Verbotsinitiative aus den gleichen Gründen ab.

So ist es. Die Unterstützung der Verbotsinitiative durch das Land Bremen ist ein SPD-Projekt, kein rot-grünes Projekt. Wenn die Bedingungen sich nicht ändern, sind alle Diskussionen um einen neuen Verbotsantrag Sommertheater ohne Substanz.

Warum hat man die Bedingungen nicht geändert und die Informanten im Laufe der vergangenen Jahre abgezogen?

Die Abschaltung der Informanten ist mit einer hohen Gefährdung dieser Personen verbunden. Es gibt bisher noch kein Konzept für einen sauberen Klageweg, mit Material das einerseits aussagekräftig genug ist, andererseits aber nicht auf die Verbindungsleute als Urheber zurückgeht.

Es sieht so aus, als ob der Verfassungsschutz gleichermaßen Voraussetzung als auch größtes Hindernis für ein NPD-Verbot ist. Die Geheimdienste sind auf Extremismus angewiesen, um ihre Existenz zu legitimieren. Gibt es eine Verselbstständigungsdynamik?

Mein Vertrauen in die demokratieerhaltende Wirkung des Verfassungsschutzes ist auch nach acht Jahren in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) eher gering. Dennoch würde ich diese These nur insoweit teilen, als dass die Politik ihre Aufgabe vernachlässigt hat, die Dienste angemessen zu führen.

Gilt das auch für den hiesigen Verfassungsschutz, der auch von Ihnen kontrolliert wird?

Ja. Der Bremer Verfassungsschutz hat mehr Probleme gemacht als gelöst, er hat klar erkennbar dysfunktional vor sich hingedümpelt. Der ehemalige Bremer VS-Chef Walter Wilhelm muss sich massive Versäumnisse, beispielsweise im Zusammenhang mit Murat Kurnaz oder bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus vorwerfen lassen. Der ehemalige CDU-Innensenator Thomas Röwekamp hat dennoch an ihm festgehalten.

Und wie steht es mit der Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz?

Wir werden auf der nächsten Sitzung der PKK die Frage erörtern, ob die Linkspartei weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollte. Ich halte das für absolut nicht notwendig. Die Partei hat offene Strukturen, die klar nachvollziehen lassen, welche Prozesse in ihr ablaufen. Dafür braucht man keine Geheimdienste. Das hat auch nichts mit dem neu gewonnenen Fraktionsstatus zu tun.