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Zum Abschuß freigegeben

■ Ecuador jagt „Sympathisanten“ / Systematische Menschenrechtsverletzungen

Fanatische Hetzjagden der Militärs auf Linke mit Opferbilanzen, die in die Tausende gehen, wie in Chile und Argentinien, hat Ecuador nie gekannt. Deswegen sind die 34 politisch motivierten Morde, 124 ungerechtfertigten Verhaftungen, 89 Mißhandlungen und 69 Folterungen, die von der ecuadorianischen Menschenrechtskommission für das Jahr 1987 dokumentiert wurden, etwas besonderes.

Die Menschenrechtsverletzungen unter der konservativen Regierung Febres Cordero begannen systematisch zu werden, als Polizei und Militär der Guerillabewegung „Alfaro Vive, Carajo“ (benannt nach einem populären Politiker der Jahrhundertwende) den Kampf ansagten. Das Regime entfesselte eine Welle der Gewalt aber nicht nur gegen die Guerilleros, sondern auch gegen alle vermeintlichen Sympathisanten, wie Julio Prado Vallejo, der Vorsitzende der ecuadorianischen Menschenrechtskommission, erzählt. Sie wurden brutal gefoltert oder standrechtlich erschossen. Juan Carlos Acosta, Sohn eines Freundes des Präsidenten, wurde vor den Augen seiner hilflosen Eltern im Krankenhaus von Guayaquil zu Tode gefoltert.

Selbst Ausländer fielen der Hexenjagd zum Opfer: Kolumbianer, die sich dadurch verdächtig machten, daß sie sich für die Menschenrechte in ihrem Land einsetzten oder drei Mitglieder der baskischen Separatistenbewegung ETA, die, von Frankreich abgeschoben, in Ecuador Asyl suchten, dort aber ein Jahr lang illegal festgehalten und gefoltert wurden.

„Alfaro Vive“ ist heute praktisch zerschlagen, aber die Repression geht weiter. Bei Demonstrationen und Landbesetzungen kommt es immer wieder zu Übergriffen der Polizei. Ende November entbrannte in der Goldgräberprovinz El Oro ein Konflikt um den Besitz einiger Hektar Land, auf denen sich eine Goldsuchergenossenschaft angesiedelt hatte. Noch bevor der Rechtsstreit gelöst werden konnte, räumten die Polizei und eine paramilitärische Schwadron, bezahlt von der an dem Grundstück interessierten Bergbaufirma „La Tigresa“, das Gelände. Es gab zwei Tote, sieben Verletzte, 35 weitere Goldgräber wurden verschleppt.

Im September 1987 sollte sich Innenminister Luis Robles wegen der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte vor dem Parlament verantworten. Robles erschien auch, allerdings um das Verfahren für illegal zu erklären. Trotzdem setzte das von der Opposition beherrschte Parlament den Innenminister nach der Anhörung von Opfern ab. Robles will jedoch nicht zurücktreten, und Präsident Febres Cordero weigert sich – unter offenem Verfassungsbruch –, den Minister zu entlassen.

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