piwik no script img

Zukunft der Nation

Kein Frieden in Sri Lanka  ■ K O M M E N T A R

Mit dem Wort „Anarchie“ ist wohl am ehesten das bezeichnet, was sich in Sri Lanka abspielt. Längst schon toben die Auseinandersetzungen nicht mehr nur zwischen Singhalesen und Tamilen, sondern auch zwischen Singhalesen und Singhalesen, Tamilen und Tamilen. Und auch der indische Nachbar ist Teil des innenpolitischen Chaos, obwohl Premier Gandhi vor genau zwei Jahren als Friedensstifter angetreten war. Der am 29. Juli 1987 zwischen ihm und Sri Lankas ehemaligem Präsidenten Jayawardene unterzeichnete „Friedensvertrag“ sollte Frieden auf der Tropeninsel schaffen, der tamilischen Minderheit zu mehr Autonomie verhelfen und schließlich auch die strapazierten bilateralen Beziehungen verbessern. Garant für seine Umsetzung sollten indische „Friedenstruppen“ sein, die in die Krisengebiete entsandt wurden. Die „einzigartige Vereinbarung“ - so der indische Premier damals - ist jedoch zum Zankapfel der Nation und zum Ausgangspunkt für neue Gewalttaten geworden.

Alleine in diesem Jahr sind schon über 5.000 Morde registriert worden. Die meisten gehen auf das Konto singhalesischer und tamilischer Extremistengruppen. Die srilankischen Streitkräfte und geheim operierende Killerkommandos, die sich vermutlich aus Polizei und Armee rekrutieren, mischen dabei ebenso mit wie die als „Friedenstruppen“ angetretenen indischen Soldaten. Ultimativ hatte Sri Lankas neuer Präsident Premadasa Gandhi aufgefordert, bis heute für den Abzug der schätzungsweise 50.000 indischen Soldaten zu sorgen. Aber die Inder werden vorerst noch bleiben, obwohl sie auch zukünftig die innenpolitischen Probleme des Nachbarn nicht lösen können.

Was kommt nach dem Abzug, der am vehementesten von der singhalesisch-radikalen „Volksbefreiungsfront“ (JVP) gefordert wird? Danach könnte sich die immer stärker werdende JVP, ohne die im Land nichts mehr geht, auf ihr nächstes Ziel konzentrieren: den Sturz der Regierung Premadasa. In den tamilischen Gebieten würden neue Feindseligkeiten zwischen den mit Indien paktierenden tamilischen Gruppen und den inzwischen mit Premadasa kooperierenden tamilischen „Befreiungstigern“ (LTTE) ausbrechen.

Walter Keller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen