Zürcher Ausstellung „Unschöne Museen“: Wenn das Schöne unschön wird
Eine prominent besetzte Kunstausstellung in der Zürcher ETH zeigt blinde Flecken in der Museumskultur auf.
Schon das Plakat sieht aus wie eine Grabplatte. „Unschöne Museen“ prangt in weißen Lettern auf einem dunklen Grund in Marmoroptik, eingefasst von einer nostalgischen Bordüre. Ist dies der Abschied von einer verstaubten Museumskultur? In Zürich, wo die Plakate eine Ausstellung an der ETH ankündigen, wird seit der Eröffnung 2021 des Erweiterungsbaus des Kunsthauses die Frage, welchen Anforderungen heute ein Museum gerecht werden muss, vehement diskutiert.
Dabei geht die Debatte über die neue Architektur von David Chipperfield – wie sie zur Stadt beiträgt, sich zu den Exponaten und zum Publikum verhält, wie ökologisch sie konzipiert ist – hinaus. Die Bestände selbst sind auf dem Prüfstand. Nicht nur in Zürich, sondern in vielen europäischen Städten gehören Museumssammlungen nach ihrer Herkunft kritisch abgefragt. Und überhaupt, wie steht es mit dem Museum als maßgebende Institution?
Wer es mit seinem Werk dorthin schafft, wird geadelt. Die Mechanismen dahinter können aber fragwürdig sein. Das überlegen auch die Kurator:innen Fredi Fischli, Niels Olsen und Geraldine Tedder in der ETH-Ausstellung „Unschöne Museen“. Rund 20 Videos, Fotografien, Installationen oder Architekturmodelle von international wirkenden Künstler:innen – darunter die Ikone der Institutionskritik, Andrea Fraser – haben sie zusammengetragen.
Da sind die vordergründig stylischen Modefotografien von Ilja Lipkin. Die von ihm 2019 im New Yorker MoMA aufgenommenen Porträts erinnern an Modeshootings. Doch nicht die perfekte Pose steht im Zentrum, sondern der kurze Moment davor oder danach. Ein Model steht vor einem Andy Warhol, ist aber mit seinem Handy beschäftigt.
„Unschöne Museen“: gta Ausstellungen, ETH Zürich, bis 19. Mai
Waren einst die Kunsthallen von der Aura der Unantastbarkeit durchdrungen, werden sie bei Lipkin nur zur schönen Konsumhülle und bleiben als schicker Eventspace ebenso unnahbar. Nicht wie bei den Bildern im nächtlichen Louvre von Beyoncé und Jay-Z in ihrem Video „Apes-t“, auf denen sich die beiden vor der Mona Lisa einen Battle-Rap liefern und die Hochkultur für die Popkultur aneignen.
Aufgestickte Patronenhülsen und drapierte Lederschuhe
Dass die altarähnliche Installation „Buhrlesque“ von Hans Haacke aus dem Jahr 1985 stammt, verblüfft. Denn Haackes Kritik ist aktuell. Auf einem steinernen Opfertisch ließ er ein Tuch im faschistischen Farbcode Schwarz-Weiß-Rot ausbreiten. Aufgestickte Patronenhülsen und drapierte Lederschuhe der Firma Bally erinnern an die Verbindung der Firma Oerlikon-Bührle sowie ihrer Tochterunternehmen zum Apartheidregime in Südafrika. Unter dem Firmenvorsitz von Dieter Bührle soll dieses in den 60er Jahren mit illegalen Waffenlieferungen unterstützt worden sein, wie aus dem Begleittext hervorgeht.
Schon der Rüstungsindustrielle Emil G. Bührle erwirtschaftete während des Zweiten Weltkriegs durch Waffenverkauf an Nazideutschland ein Vermögen und finanzierte so seine wertvolle Kunstsammlung. Auch durch Ankäufe von Naziraubkunst und Fluchtgut. Selbige Sammlung wird heute als Leihgabe im Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich ausgestellt. Und es bleibt zu diskutieren, wie diese überhaupt präsentiert werden darf.
Welch schwieriges Frauen- und Menschenbild in Museen vermittelt werden kann, legt die schottische Künstlerin Maud Sulter anhand der Historienmalerei des Briten John Collier offen. Sein Gemälde „The Death of Kleopatra“ von 1890 hängt heute in der englischen Gallery Oldham.
Sulter greift auf ihren Reproduktionen Details des Gemäldes heraus – einen aufreizend gestreckten, weiblichen Fuß, den Schoß der aufgebahrten Kleopatra – und lenkt den Blick auf die Frau als Objekt des Begehrens. Mit Weichzeichner und Aufheller erinnert sie daran, dass – wie in zahllosen anderen musealen Werken auch – Kleopatra, die Königin eines afrikanischen Landes, selbstredend bleichhäutig dargestellt wird. Der Schwarze Körper aber wird ausgeblendet.
„Unschöne Museen“ ist wie ein Blick durch ein Kaleidoskop. Doch das sich daraus ergebende Bild vom Museum verzaubert nicht, sondern zeigt, wo Handlungsbedarf besteht.
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