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Archiv-Artikel

Zu wenig Poltergeister und Rotznasen

Viele Hamburger Kitas beklagen rückläufige Anmeldungszahlen. Zum Beispiel die „Poltergeister“ von Eimsbüttel. Eltern durch neues Gesetz so verunsichert, dass sie keinen Kita-Gutschein beantragen. Behörde sieht Urlaubszeit als Ursache

von Kathleen Fietz

Schmuddelkinder, Poltergeister, Rotznasen – typische Namen für Hamburger Kindertagesstätten. Typisch für viele dieser Einrichtungen ist auch, dass sie in diesem Sommer zu wenige neue Anmeldungen bekommen. „Wir hatten immer lange Wartelisten, jetzt haben wir Angst, nicht mehr weiterbestehen zu können“, sagt Kathrin Steinbach, Erzieherin im Eimsbütteler Kinderladen „Poltergeister“.

Auf dem Hochbett der „Poltergeister“ toben Henriette, Kira und Alana. Kiras Mutter bereitet in der Küche das Mittagessen vor. Einmal wöchentlich übernehmen die Eltern das Kochen: „Zum einen können wir uns die tägliche Essenslieferung nicht leisten, zum anderen gehört es zu unserem Konzept, dass sich die Eltern mit in die Betreuung einbringen“, so Alexandra Tongers, die heute kocht. Ist eine Erzieherin im Urlaub oder krank, springen ebenfalls Eltern ein.

Der Kinderladen im Spengelweg bei der Apostelkirche hat Platz für zwölf Kinder. Ab August werden jedoch nur noch sechs Geister hier poltern können, wenn in den nächsten Wochen keine Anmeldungen mehr eingehen. Die Kita bietet eine sechsstündige Betreuungszeit von 8 bis 14 Uhr an. Eltern, die einen Kita-Gutschein für nur vier Stunden bekommen, kaufen für 60 Euro monatlich die restlichen zwei Stunden dazu. Kinder nur vier Stunden zu betreuen, kann sich die Einrichtung nicht leisten. „Wenn Eltern einen Kita-Gutschein beantragen, wissen sie noch nicht, wieviele Stunden sie bewilligt bekommen“, erklärt Mutter Bibiane Schramm, „deshalb melden viele ihre Kinder lieber in einer großen Einrichtung an, die alle Zeiten anbietet.“

Doch auch größere Kitas klagen über mangelnde Auslastung. Der Kindergarten „Sonnenblume“ in Bramfeld bietet Betreuungszeiten von vier bis zwölf Stunden an. „Da Arbeitssuchende keinen Anspruch auf Ganztagesbetreuung haben, gibt es inzwischen mehr Plätze als Gutscheine“, klagt Leiterin Rose Poromka-Schröder: „So etwas Kinder- und Frauenfeindliches wie das Kita-Gesetz gab es lange nicht“, sagt sie.

„Wir stehen diesem Nachfrageproblem zum ersten Mal gegenüber“, so Martin Peters vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, „und das liegt nicht an der Qualität unseres Angebots.“ Der Paritätische Wohlfahrtsverband vertritt 170 Kitas in Hamburg, darunter auch die „Poltergeister“. Viele Eltern seien durch das Kita-Gesetz so verunsichert, dass sie gar keine Anträge stellten, sondern auf Tagesmütter zurückgreifen oder andere Lösungen finden: „Arbeitszeiten werden verkürzt, Freunde und Großeltern übernehmen die Betreuung“, erklärt Peters.

Auch Inge Schrader, Leiterin der „Rotznasen“ in der Fischers Allee in Altona, beschwert sich: „Die Kosten für das Mittagessen werden von der Sozialbehörde nicht mehr vollständig übernommen. Um das zu kompensieren, müssen wir mehr Kinder aufnehmen.“ Doch auch hier bleiben die benötigten Anmeldungen aus.

Die Behörde für Soziales und Familie begründet die ungenügende Auslastung damit, dass es weniger Kinder als früher gebe und die Träger frei in ihrem Leistungsangebot seien: „Jede Kindertageseinrichtung kann entscheiden, wieviele Kinder sie aufnimmt und welche Betreuungszeiten sie anbietet. Dass einige Einrichtungen unterbesetzt sind, kann natürlich passieren“, erklärt Pressesprecher Oliver Kleßmann. Rückläufige Zahlen bei den Antragstellern kann er nicht bestätigen: „Die Unterbelegung kann daran liegen, dass viele Familien jetzt im Urlaub sind und sich erst im August um einen Kita-Platz kümmern.“

Der „Poltergeist“ Timon zieht sich seine Regenjacke an: „Wir gehen jetzt mit Kathrin auf den Spielplatz“, sagt er und freut sich trotz des Regens. Kathrin Steinbach ist inzwischen die einzige Erzieherin des Kinderladens. Die zweite Erzieherin und die Putzkraft mussten bereits entlassen werden.

„Poltergeister“, Spengelweg 28: ☎ 851 37 13, Infos: www.poltergeister.org. Spendenkonto 461 16 46, Vereins- und Westbank (BLZ 200 300 00).