Zu wenig Einnahmen durch Web 2.0: Massenentlassungen bei MySpace
Nach 420 Entlassungen in den USA sollen beim sozialen Netzwerk MySpace auch noch zwei Drittel der ausländischen Mitarbeiter gehen. Der Web 2.0-Hype zeigt dadurch seine Schwäche.
"Tom", jedermanns erster Freund beim sozialen Netzwerk MySpace, muss nicht mehr ins Büro kommen. Den Mitbegründer der zum US-Medienriesen News Corp. gehörenden Web-Firma hat es in einer aktuellen Entlassungswelle laut einem Bericht des Branchendienstes "Business Insider" ebenfalls erwischt. Sorgen muss sich der junge Mann, der mit vollem Namen Tom Anderson heißt, allerdings nicht machen: Er wird noch zwei weitere Jahre mit einem hoch dotierten Beratervertrag versorgt.
Andere MySpace-Mitarbeiter trifft es da schon deutlich härter. Derzeit finden geradezu Massenentlassungen bei dem einst gefeierten Web 2.0-Unternehmen statt, dessen Geschäftseinheit Fox Interactive Media (FIM) allein im letzten Quartal 89 Millionen Dollar Miese geschrieben haben soll. Ein neuer Firmenchef, der zuvor beim Konkurrenten Facebook gearbeitet hat, kehrt mit eisernem Besen: Owen Van Natta beschloss zunächst die Entlassung von 420 Mitarbeitern in der US-Zentrale (minus 30 Prozent) und nannte die bisherige Organisation in einem Statement unverhohlen "aufgebläht" und unflexibel.
In seiner heutigen Ausgabe bestätigt das "Wall Street Journal" nun, dass auch bei den ausländischen MySpace-Töchtern massiv abgebaut wird. Zwei Drittel aller Mitarbeiter sollen gehen, mindestens vier Büros geschlossen werden. 300 Stellen sind betroffen, übrig bleiben 150. Konzentrierte zentrale Niederlassungen in London, Berlin und Sydney sollen bleiben, Büros in Argentinien, Brasilien, Kanada, Frankreich, Indien, Italien, Mexiko, Russland, Spanien und Schweden stehen dagegen auf dem Prüfstand.
Auch bei der MySpace übergeordneten Einheit FIM wird gespart: News Corp.-Chef Rupert Murdoch hatte im März einen neuen Leiter fürs Digitale berufen, den ehemaligen AOL-Manager Jon Miller. Der beschloss sogleich, eine lange geplante Umzugsaktion in ein zentrales Hauptquartier in Los Angeles zu stoppen - 350 Millionen Dollar hätte der über 12 Jahre laufende Mietvertrag gekostet. Außerdem soll es auch bei FIM Entlassungen gegeben haben.
Die Probleme bei MySpace sind nur ein äußeres Zeichen dafür, dass der Hype ums Social Networking sich seinem Ende zuneigt. Das hat weniger mit dem Nutzerverhalten zu tun, denn beliebt sind die Angebote nach wie vor; auch wachsen viele von ihnen noch - wenn auch, wie eben MySpace, langsamer als vorher. Allein, Geld scheint sich mit den Diensten nach wie vor nicht verdienen zu lassen: Die werbetreibende Industrie ist nach ersten Versuchen skeptisch, auf welche Art sie hier ihre Zielgruppe erreicht, will die doch viel lieber kommunizieren als von Reklame bei der Nutzung unterbrochen werden.
Keiner der großen Anbieter ist offiziell in den schwarzen Zahlen, was sich in der aktuellen Finanzkrise eher schlecht macht. Bei Facebook, dem großen MySpace-Konkurrenten, nahm man erst kürzlich weitere 200 Millionen Dollar von russischen Investoren auf und trennte sich dabei von etwas weniger als zwei Prozent der Firma. Der laufende Betrieb verschlingt hohe Summen - so laden die über 200 Millionen Mitglieder beispielsweise inzwischen Milliarden von Fotos auf die Seite hoch, ohne dafür einen Cent zu zahlen.
In Deutschland sieht es nicht viel besser aus. StudiVZ, das sich mit seinen Töchtern SchuelerVZ und MeinVZ mit der RTL-Tochter wer-kennt-wen.de um die Marktführerschaft balgt, soll immer noch Verluste schreiben, nachdem der Zeitungsverlag Holtzbrinck die junge Firma im Januar 2007 für geschätzte 80 Millionen Euro gekauft hatte. Auch hier setzt man ähnlich wie bei Facebook vor allem auf Benutzerwachstum, will sich dadurch eine derart große Zielgruppe verschaffen, dass sich die Schaltung personalisierter Werbung lohnt. Von deren Zukunft ist man fest überzeugt, glaubt an reklamefinanzierte Geschäftsmodelle wie einst bei den privaten TV-Sendern.
Für Werber relevante Daten hätten die Anbieter genug, verraten die Nutzer in den sozialen Netzwerken doch nach wie vor sehr viel von sich, um Gleichgesinnte zu finden. Möglicherweise zu viel: Europäische Datenschützer haben nun die EU-Kommission aufgefordert, endlich dafür zu sorgen, dass sich auch Anbieter aus den USA an hiesige Regelungen zum Schutz der Privatsphäre halten müssen. Dazu gehört beispielsweise, das einmal gelöschte Profile tatsächlich vom Server eines sozialen Netzwerks verschwinden müssen, was bei einigen Firmen noch immer nicht der Fall ist. Auch seien die Kunden über Risiken besser zu informieren und bestimmte Modelle der an den Nutzer angepasster Reklame unzulässig.
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