: Zu viele Mauerschüsse brachten Ärger
■ Prozeß wegen Schießbefehls fortgesetzt/ DDR-Militärs fürchteten Westpropaganda
Berlin (dpa) – Die militärische Führung der Ex-DDR hatte nach Angaben des früheren stellvertretenden Verteidigungsministers Fritz Streletz ein Interesse daran, daß an der innerdeutschen Grenze möglichst wenig geschossen wurde. Im Berliner Prozeß gegen Mitglieder des DDR-Verteidigungsrats sagte Streletz am Montag zur Begründung, bei jedem Schuß sei in der Westpresse eine Propagandakampagne gegen die DDR geführt worden. Ein Schußwaffenverbot habe es jedoch nicht gegeben.
Bei besonderen politischen Anlässen seien die Grenzposten verstärkt worden, um etwaige Grenzverletzer „schon in der Tiefe“ festnehmen zu können. Damit sollte politischer Schaden „durch Hetze in den Westmedien“ von der DDR abgewendet werden. Schon aus Fehlzündungen eines Motors seien Schüsse auf Flüchtlinge gemacht worden, sagte der 66jährige Ex- General.
Nach Darstellung des Angeklagten richtete sich die Aufgabenstellung der Grenztruppen nicht in erster Linie gegen Republikflüchtlinge, sondern habe darin bestanden, die Staatsgrenze zu sichern und „bewaffnete Überfälle entschlossen abzuwehren“. Wahrscheinlich werde es allerdings schwer für ihn, das auch zu beweisen, meinte Streletz.
Nach wie vor strittig ist zwischen dem Berliner Landgericht und der Verteidigung die Frage, ob der inzwischen nach Chile ausgereiste frühere Staats- und Parteichef Erich Honecker als Zeuge gegen seine ehemaligen Mitangeklagten Streletz, Heinz Keßler und Hans Albrecht aussagen muß. Der Vorsitzende Richter der 27. Großen Strafkammer, Hans Boß, lehnte am Montag die Vernehmung des 80jährigen mit der Begründung ab, Honecker habe mehrfach „seinen Willen bekräftigt“, die Aussage zu verweigern. Beim Bundesverfassungsgericht ist unterdessen eine weitere Beschwerde des Nebenklägers Hans-Ekkehard Plöger gegen die Freilassung Honeckers eingegangen.
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