piwik no script img

Zu viele Feste - Kneipen sauer

■ Umsätze der Gaststätten sind in diesem Jahr um bis zu vierzig Prozent gesunken /Bier im Festzelt oft billiger

Saarbrücken (dpa) - Sie heißen „Gaumen– und Gurgelfest“, „Wurstfest“, „Schluck– und Schleckertage“, „Brunnenfest“ und „Traditionelles Hinterhof– Fest“. Die Zahl dieser Feste im Saarland, dessen Bewohner gemessen am Pro–Kopf–Konsum von Bier und der Zahl der Vereinsmitgliedschaften schon jetzt als „Deutsche Meister im Feiern“ gelten, nimmt von Jahr zu Jahr zu - sehr zum Zorn der Kneipier– Branche. In diesem Jahr wurde in den 52 saarländischen Städten und Gemeinden bereits mehr als 5.000 mal eine einmalige Ausschankerlaubnis für ein Fest erteilt. Hinzu kommt nach Schätzungen des saarländischen Hotel– und Gaststättenverbandes eine „Dunkelziffer“ von etwa 3.000 nicht genehmigter Veranstaltungen. Während immer mehr Vereine - auch in anderen Teilen der Bundesrepublik - solche selbst organisierten Feste nutzen, um ihre Clubkasse aufzubessern, wächst inzwischen aber auch die Kritik an dieser Einnahmequelle. „Es sind einfach zu viele Feste geworden. Die machen sich gegenseitig kaputt“, klagt der inzwischen „veranstaltungsmüde“ Vorsitzende eines Tennisclubs. Der Saarsängerbund, dem die saarländischen Gesangsvereine angeschlossen sind, fördert nach den Worten seines Schatzmeisters Werner Hoffstetter „nur noch klassische Jubiläen“. Viele der 5.000 eingetragenen Vereine im Saarland feiern hingegen jedes Jahr Geburtstag. Auch sogenannte „wilde Clubs“, die in keinem Vereinsregister eingetragen sind, mischen bei Festveranstaltungen kräftig mit. Der jüngste Hit sind Kinderfeste. Ein Hintergrund des Festrausches: Die Vereins–Schatzmeister sind auf zusätzliche Geldquellen angewiesen, da die Mitgliedsbeiträge allein oft nicht ausreichen: Gesangsvereine lassen sich ihre Dirigenten durchschnittlich 350 Mark im Monat kosten. Musikvereine müssen GEMA–Gebühren entrichten. Sportvereine werden mit Trainerhonoraren, Hallenmieten und Reisekosten monatlich mit vierstelligen Summen belastet. Die heftigste Kritik an der „Festflut“ kommt von den Gastwirten. Sie bemängeln Hygiene und Sicherheit bei Straßenfesten. Trotz verschärfter Kontrollen der Gewerbeaufsichtsämter, so ein Gastwirt über die Vereinskonkurrenz, „schmeckt da oft zu später Stunde das Spülwasser besser als das Bier“. Stein des Anstoßes ist für die Gastwirte, die insbesondere auf dem Land in diesem Jahr Umsatzeinbußen bis zu 40 Prozent hinnehmen mußten, aber vor allem die unterschiedliche Besteuerung. Der Präsident des Verbandes des Gaststätten– und Hotelgewerbes im Saarland, Gerd Franzen, geht hart mit einigen Praktiken der Vereinskonkurrenz ins Gericht: „Alle sind gegen Schwarzarbeit. Und was ist das hier? Das ist Schwarzgastronomie!“ Oft sind Vereinsvorstände über ihre Steuerpflichten nicht genau informiert. Der Hotel– und Gaststättenverband schätzt die so entstehenden Steuerverluste bundesweit auf mehrere Millionen Mark im Jahr. Es sei daher kein Wunder, daß bei Straßen– und Gartenfesten das Bier billiger oder mit entsprechend höherer Gewinnspanne verkauft werden kann. Auch die Schausteller leiden unter der gestiegenen Zahl von Sommerfesten. Vor allem in kleineren Dörfern, früher eine sichere Einnahmequelle, lohnt sich der Karusselbetrieb nur noch selten: „Wenn wir kommen“, meint ein Betroffener, „ist der Kuchen schon verteilt.“ Vereine, die Steuervorschriften mißachten, müssen mit einem bösen Erwachen rechnen: So erhielt eine Vereinsgemeinschaft an der Saar nachträglich die Steuerrechnung für etwa ein Dutzend Faschingsveranstaltungen, die sie in den vergangenen vier Jahren organisiert hatte. Als Folge dieses finanziellen „Bumerangs“ mußte ein betroffener Sportclub seinen Trainer entlassen und die Hallenstunden um die Hälfte reduzieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen