: Zu viel Blei im Trinkwasser
Modelluntersuchung der Universität Göttingen zeigt: Jede 20. Wohnung betroffen
HANNOVER taz ■ Alte Bleirohre belasten auch heute noch das Trinkwasser. Das belegt eine Untersuchung der Abteilung „Allgemeine Hygiene und Umweltmedizin“ der Universität Göttingen, die beispielhaft das Trinkwasser von 3.600 Familien aus Berlin, Göttingen und Umgebung testete. Immerhin bei jeder zwanzigsten Familie lag die Bleibelastung des Wassers über dem von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Maximalwert von 10 Mikrogramm pro Liter.
„Mit Blei belastetes Trinkwasser ist ursächlich für Defizite von Kindern in Sprachbeherrschung, Aufmerksamkeit und schulischer Leistung“, sagte gestern der Leiter der Abteilung, Professor Hartmut Dunkelberg. Überraschend seien die Ergebnisse, weil Wasserrohre aus Blei schon seit den Siebzigerjahren nicht mehr eingebaut werden dürften.
Nach Angaben des Göttinger Umweltmediziners Björn Zietz, der die Studie durchgeführt hat, wurde in Berlin das Wasser von 2.100 zufällig ausgewählten Familien mit Kindern analysiert. In einem Teil der Haushalte wurde zu vier verschiedenen Tageszeiten Wasserproben entnommen. Bei dieser Methode war in 7 Prozent mehr Blei, als die WHO noch zulassen will. Die übrigen Berliner Familien nahmen jeweils ein Probe, wenn sie selbst tatsächlich Trinkwasser gebraucht hatten. Hier ergaben 5,6 Prozent der Analysen einen zu hohen Bleigehalt. In den Berliner Bezirken Charlottenburg, Neukölln, Schöneberg, Wilmersdorf und Zehlendorf hatten sogar mehr als 10 Prozent der untersuchten Wohnungen Bleikonzentrationen von über 10 Mikrogramm pro Liter. Der höchste in Berlin gemessene Wert lag bei 186 Mikrogramm pro Liter.
In Südniedersachsen wurden 1.500 Haushalte untersucht. Ähnlich schlechte Werte wurden mit 11 Prozent in der Gemeinde Friedland gefunden. Wesentlich günstiger steht Göttingen selbst da, wo Trinkwasser von 568 Familien mit Kindern analysiert wurde. In der Universitätsstaat enthielten nur 1,6 Prozent der Proben mehr Blei, als die WHO empfiehlt.
Bewohnern von Altbauten, in denen es noch Leitungen aus Blei gibt, rät Professor Hartmut Dunkelberg, durch Ablaufenlassen des Wassers die Aufnahme des Schwermetalls zu vermeiden. Wenn man das Wasser so lange laufen lasse, bis es kalt sei, erhalte man frisches Wasser aus dem Stadtnetz, dass noch nicht in den alten Hausleitungen gestanden habe, sagte Dunkelberg. Allerdings sei diese Methode gerade in den oberen Wohnungen höherer Häuser aufwändig und erhöhe zudem den Wasserverbrauch. JÜRGEN VOGES
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