: Zu schön, um wahr zu sein
Am schnellsten auf dem Kalendermarkt ausverkauft: die „Schwabenkörper“. Ein erotisches Missverständnis
Das ist ja eine Frucht des frauenbewussten Zeitalters: dass inzwischen Bilderkalender ganz und gar unverschämt mit männlichen Models arbeiten. Das klassische Format der weiblichen (meist halbpornografisch abgelichteten) Pin-ups für heterosexuelle Tagträume nun also ergänzt um die Variante des Blicks auf den Körper des Mannes.
Der Kalender unter dem Titel „Schwabenkörper“ ist in dieser Hinsicht der Bestseller in der Vorweihnachtszeit. Doch die Überschrift, die eine gewisse bäuerlich-rustikale Bildstrecke verheißt, ist tückisch, denn sie lügt. Zu sehen sind schon auf dem Deckblatt Körper, die möglicherweise wirklich zwischen Bodensee und Odenwald ihr Leben leben, aber gewiss Sport getrieben haben und mutmaßlich nicht nur auf die drogenfreie Art. Sie sehen aus wie steroide Monster. Sie zeigen überall Muskeln, sie zeigen Trizeps und Bizeps, und zwar auf eine gewisse leblose Art.
Im Januar ist es „Philipp, ein Beachvolleyballer aus Rottenburg“, im Februar „David aus Reutlingen auf Malta“ und im Juni „Micha, ein Kraftsportler aus Kirchentellinsfurt“. Humorlos fast ihr aller Posing, unberührbar wirken sie, obwohl sie pseudoschmiegsam in die Kamera des Fotografen Niels Kolditz schauen. Nun hat selbstverständlich auch jede Frau das Recht auf sexualvisuelle Stimulationen ohne Rücksicht auf das Subjektive im Naturell – solcherlei Schererei hat frau meist ja zu Hause auf dem Sofa sitzen.
Aber wäre es nicht schöner gewesen, Männer zu zeigen, wie sie leben? Mit Kraft im Körper, klar, aber doch auch mit ein wenig Speck an den Hüften? Nicht also fremde Objekte zu zeigen, sondern Objekte, die identifizierbar im Alltag sind – und doch erst im Posing, im Narzissmus der kleinen Leute, zum Ausdruck kommen? So wie die Arbeitslosen im britischen Film „Ganz oder gar nicht“ – beim Strippen fast anbetungswürdig scheu: Und so erst richtig appetitlich?
In den USA kaufen selbstbewusste Heteros nur Kalender, auf denen echte Frauen zu sehen sind, nicht nur sterile Models. Die sich mögen und doch Körper haben, welche nach Leben aussehen. Heteras schätzen dort die beliebten Feuerwehrkalender, auf denen Fireworker zu sehen sind, die ihre straffen Körper lieben und doch zu schwitzen scheinen, sekretiell nicht unter Puder und Deo erstickt – für sich selbst, aber auch für die Betrachterin. Die lächeln übrigens auch nicht so neutral und quasidebil wie die „Schwabenkörper“. Schade um die gute Idee. JAF