: Zu optimistisch
betr.: „In Birma ist viel Geduld gefragt“, Interview mit dem birmesischen Publizisten Zarni, taz vom 21. 2. 08
Zarni ist allzu optimistisch, was den verfassungsgebenden Prozess und die Einbeziehung der Bevölkerung betrifft. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie manipulativ (unter anderem durch den Einsatz von regierungstreuen Gruppen wie der staatlichen Wohlfahrtsorganisation sowie unter Anwendung von Gewalt) das Regime seine Aktivitäten „legitimiert“.
Bei der Ablehnung dieses Prozesses durch die Opposition und die Parteien ethnischer Minderheiten ist allerdings noch unklar, ob sie den gesamte Prozess boykottieren oder ob sie die Bevölkerung auffordern, während des Referendums den Verfassungsentwurf abzulehnen. Sollte die Bevölkerung dies tatsächlich tun, im Referendum mit „nein“ stimmen und das Regime damit zur Überarbeitung des Entwurfs zwingen, wäre dies tatsächlich ein unheimlich großer politischer Erfolg.
Doch ist es naiv zu glauben, dass das Regime nicht das Ergebnis von 30 Millionen Wählern kontrollieren könne. Zarni scheint nicht nur die Wahlen von 1990 zu vergessen, wenn er nun von der „ersten politischen Beteiligung der Zivilbevölkerung“ spricht. Er vergisst vor allem das Verfassungsreferendum, das unter General Ne Win 1973 abgehalten wurde und dem die Bevölkerung angeblich zu 99 Prozent zustimmte und damit das verfassungsmäßig garantierte Einparteiensystem und Birmas sozialistischen Weg mit der Verfassung von 1974 besiegelte.
Neben den 25 Prozent für das Militär reservierten Sitzen im Parlament, der Tatsache, dass die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi (und ganz nebenbei die meisten der jetzt im Exil lebenden Politiker) von politischen Ämtern ausgeschlossen bleiben, ist besonders besorgniserregend, dass die Militärchefs jederzeit den Notstand und das Kriegsrecht ausrufen können. Damit halten sie die Fäden weiter in der Hand. Auch ist noch unklar, welche Rolle den Waffenstillstandsgruppen und politischen Parteien der ethnischen Minderheiten zukommt.
Es stimmt, dass sich das Militär Legitimität verschaffen will, aber sicherlich nicht durch einen fairen, transparenten Prozess unter einer breiten politischen Beteiligung. Die internationale Gemeinschaft sollte daher, angeführt von den Vermittlungsversuchen des Sondergesandten Gambari und den Nachbarn, weiter auf eine breite Beteiligung sämtlicher politischer Gruppen am Prozess, einschließlich der Freilassung der politischen Gefangenen, drängen.
ULRIKE BEY, ASIENHAUS, Essen