: Zu Konkurrenten gemacht
betr.: „Lehrer, Sisyphos der Schule“
Endlich wird das Grundübel des Schulsystems benannt: „Lehrer zu sein bedeutet, einen unmöglichen Job zu machen: Schüler anerkennen zu wollen – sie aber in einem Auslesesystem demütigen zu müssen.“ Man muss die Absurdität der Tatsache begreifen, dass die Bewohner dieses Planeten sich darauf geeinigt haben, ihren Nachwuchs fortwährend durch Ziffern einer Bewertungsskala zu klassifizieren und einander zu Konkurrenten zu machen.
„Pädagogen“, die den Entwicklungsprozess der Kinder wohlwollend lenken sollen, sind gleichzeitig verpflichtet, sie mit guten und schlechten Noten zu guten und schlechten Schülern zu stempeln und damit gute und schlechte Lebenschancen zu vergeben.
Immer wieder kritisieren die Publizisten den lehrerzentrierten Unterricht. Auf Grundschule, Hauptschule und Gesamtschule trifft diese Kritik nicht zu, hier werden offene Unterrichtsformen weithin praktiziert. Das ist nicht nur unvermeidlich, weil anders die Schüler gar nicht zu erreichen wären, es ist hier auch eher möglich, weil entweder das Klassenlehrerprinzip herrscht, der Lehrer also durch die genaue Kenntnis seiner Schüler auch bei flexibler Unterrichtsgestaltung die Leistungen der Einzelnen beurteilen und in der Notengebung sicher sein kann, oder/und hier die Überprüfbarkeit der Notengebung nicht ganz so vorrangig ist wie im Gymnasium. Ein Gymnasiallehrer, der etliche Klassen unterrichtet und sich deshalb absichern muss, dazu jetzt noch einheitlichen Leistungstests und dem Zentralabitur unterworfen ist, hat da wenig Spielraum. Dass ein solcher Unterricht nicht motivierend ist, haben die meisten von uns hautnah erfahren. DOROTHEA LIESEGANG, Köln
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