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Zornesmächte

■ Eine Lesung von Maeterlinck und Hofmannsthal im Brakula

Die Entdeckung des Unterbewußtseins wirft eine bange Frage auf: Ist die Basis allen Denkens und Trachtens etwa reine Barbarei? Wird der Mensch getrieben von dunklen Mächten, erschüttert durch seelische Konflikte? Die Akteure Vera Rosenbusch und Lutz Flörke vom Hamburger Zeichenkombinat brachten mit ihrer Literaturinszenierung Eh' ich sterbe, will ich auch leben, die Freitag im Kulturzentrum Brakula Premiere hatte, diese vermeintlich „wahren“ Beweggründe menschlicher Handlungen ans Tageslicht. Es war eine Reise zurück zum Anbeginn der literarischen Moderne.

In einer Melange aus Vortrag, Rezitation und Diskussion wurden Maurice Maeterlincks Interieur und Hugo von Hofmannsthals Elektra vorgetragen. Bevor es aber losgehen konnte, bat Lutz Flörke um Geduld: „In Interieur passiert so gut wie nichts. Das ist gewohnheitsbedürftig“. Und tatsächlich: Das statische Drama über den Tod, der in die bürgerliche Stube blickt, forderte dem Publikum einiges an Konzentration ab. Und nicht nur diesem: Die Schwierigkeit der Vortragenden, in verschiedene Rollen schlüpfen zu müssen, führte zu diversen Versprechern und falschen Betonungen.

Nach einer Pause, in der sich das Publikum vereinzelt in etwas vagen Interpretationsversuchen übte, ging es dann allerdings dynamischer weiter. Die Geschichte von Elektra, die ihres Bruders Orests Rache an der Mutter Klytänestra für den Vatermord herbeisehnt, wurde in ausgewählten dramatischen Höhepunkten vorgetragen. Vera Rosenbusch präsentierte eine kraftvolle, in ihrem Haß und ihren Vergeltungsgelüsten überzeugend ekstatische Elektra. Lutz Flörke verdanken wir einen Schnellkurs in griechischer Mythologie. Dennoch Verwirrung. Eine Zuschauerin: „Ich finde das ganze zum Erbrechen frauenfeindlich!“ Statt Diskussion gab es leider nur Befindlichkeitsergüsse, teils mit erhobenem Zeigefinger. Schade – der Abend hätte ein stärkeres (und auch größeres) Publikum verdient.

Karin Midwer

Weitere Termine: 27. Januar, Haus Drei und 29. Januar, Zinnschmelze, jeweils 20 Uhr

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