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Zoff um „FKK-Verfassung“

■ Westler wiesen Vorwürfe von Knut Herbst zurück, der Osten werde bei der Verfassungsfrage nicht genügend berücksichtigt

Berlin. In der Diskussion um eine gemeinsame Berliner Verfassung für die Zeit nach den Wahlen am 2. Dezember gibt es Streit zwischen Ost und West: Die Kritik, die der Vorsitzende des Ostberliner Ausschusses für die Einheit Berlins, Knut Herbst (SPD), am Montag geäußert hatte, stieß im Westen auf Verwunderung. Herbst hatte beklagt, daß von westlicher Seite die Vorstellungen des Ostens in Verfassungsfragen zu wenig berücksichtigt und terminliche Absprachen ohne Rücksprache mit dem Osten getroffen würden. Sowohl von West-Berlins SPD und AL als auch von der West-CDU wurden die Vorwürfe gestern zurückgewiesen.

Zur Erinnerung: Zur Erarbeitung einer Gesamtberliner Verfassung hatten das Abgeordnetenhaus und die Ostberliner Stadtverordnetenversammlung Ausschüsse mit je zwanzig Delegierten gebildet, die regelmäßig auch gemeinsam tagten. Geplant war, daß es in Ost-Berlin zunächst eine Übergangsverfassung gibt, die bis zu den Gesamtberliner Wahlen gelten sollte. Diese Verfassung wurde nach heftiger Kontroverse zwischen SPD und CDU in der letzten Woche in der Stadtverordnetenversammlung verabschiedet. In sie wurde ein Passus aufgenommen, daß diese Verfassung außer Kraft gesetzt wird, sobald ein Gesamtberliner Parlament die Gültigkeit einer Gesamtverfassung für Berlin erklärt. Wie die AL -Fraktionsvorsitzende Renate Künast gestern monierte, werden damit die ursprünglich geplanten Stufen 2 und 3 ausgehebelt; Stufe 2 sah vor, daß beide Parlamentsausschüsse gleichlautende Entwürfe für eine Gesamtberliner Verfassung erarbeiten, die noch vor der Wahl verabschiedet werden sollten. Diese sollten nach der Konstituierung des Gesamtberliner Parlaments noch einmal überarbeitet werden.

Als Grundlage dient die alte Berliner Verfassung aus dem Jahre 1948, die jetzt in leicht modifizierter Form am Tag der konstituierenden Sitzung wieder für ganz Berlin in Kraft gesetzt werden soll. Da für jegliche Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, müssen die Fraktionen weitreichende Kompromisse schließen. Im Westberliner Einheitsausschuß wurde zu diesem Zweck ein interfraktioneller Ausschuß gebildet, bestehend aus den rechtspolitischen Sprechern der CDU, Finkelnburg, der SPD, Körting, und der AL, Künast. Die drei haben sich bereits auf einige Änderungen der Verfassung geeinigt, die auch schon schriftlich vorliegen - im Rathaus Schöneberg in Anspielung auf die Anfangsbuchstaben der Beteiligten „FKK-Entwurf“ genannt.

Renate Künast erklärte gestern zu den Vorwürfen von Herbst, die Ostberliner hätten durch die Verabschiedung ihrer Verfassung mit dem einschlägigen Passus ihr Schicksal in westliche Hände gelegt. Sie verwies auf die nächste gemeinsame Sitzung Ende August, in der von östlicher Seite noch einmal Bedenken geltend gemacht werden könnten. Ungerührt zeigte sich die CDU, die die Verfassungsdiskussion ohnehin mit gemischten Gefühlen betrachtet. Alle Änderungen seien in enger Absprache mit den Ostlern erarbeitet worden, erklärte ein Sprecher der Fraktion. Auch die SPD zeigte sich von den Vorwürfen wenig beeindruckt. Der Vorsitzende des Ausschusses, SPD-Fraktionschef Staffelt, erklärte, es gebe keinen Grund zur Aufregung, da der westliche Entwurf nicht den Anspruch einer neuen Verfassung erhebe. Der Forderung von Herbst nach einer gemeinsamen Sitzung in dieser Woche wurde nicht entsprochen, da die meisten Westparlamentarier in den Sommerferien sind.

kd

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