: Zocken: Bewährt als Eheanbahnung
Bei „Twentyfive“ kamen sich die jungen Leute unter den wachsamen Augen der Eltern näher ■ Aus Dublin Aine Lyons
Bridge galt bei uns zu Hause als vornehmes englisches Spiel und war deshalb verpönt. Statt dessen wurde manchmal Whist, meistens aber Twentyfive gespielt, weil daran bis zu sieben Leute teilnehmen können. Die Regeln sind ziemlich kompliziert: JedeR erhält fünf Karten, der Rest kommt in die Mitte. Die Farbe der obersten Karte im Stapel ist Trumpf. Der höchste Trumpf ist die Fünf, dann der Bube, Herz-As, Trumpf-As usw. Während bei den roten Farben die Kartenwerte von der Zehn bis zur Zwei abwärts gehen, ist es bei den schwarzen Farben umgekehrt. Bis man selbst die Karten in die Hand nehmen durfte, mußte man daher zunächst eine langjährige Lehrzeit absolvieren.
Ich war zehn, als ich zum ersten Mal beim Zocken zusehen durfte. Da ich drei ältere Schwestern habe, lud meine Mutter, die aus einem kleinen Dorf südwestlich von Dublin stammt, jeden Dienstag ein paar junge Männer zum Kartenspielen ein. Da sie ausnahmslos aus ihrem Heimatdorf kamen und in Dublin studierten oder arbeiteten, kannte meine Mutter ihre Familien. Zwar wurde um Geld gespielt, aber es ging nur um kleine Beträge. Der eigentliche Sinn der Kartenrunde war es, daß sich die Jungs und meine Schwestern näherkommen sollten — allerdings nicht zu nah. Darüber wachte meine Mutter mit Argusaugen. Solange ich mich unauffällig verhielt, durfte ich den SpielerInnen zuschauen.
Nach zwei Stunden gab es eine Pause. Während ich schlafen gehen mußte, machte meine Mutter Tee und belegte Brote. Danach wurde weitergespielt. Ob der Abend erfolgreich verlaufen war, merkte ich ein paar Tage später, wenn sich meine Schwestern zum Ausgehen fertig machten. Das bedeutete nämlich, daß die jungen Männer sie ins Kino oder zu einem anderen harmlosen Vergnügen eingeladen hatten.
Es dauerte Jahre, bis ich in der Kartenhierarchie eine Stufe aufrückte: Ich durfte zum ersten Mal die Karten mischen und austeilen. Wiederum viel später ließ mich mein Vater dann seine Karten halten. Er bestimmte allerdings, was gelegt wurde. Ein weiterer wichtiger Schritt war es, als er mich schließlich fragte, welche Karte ich ausspielen würde. Und dann kam der Tag, an dem ich endlich mitspielen durfte — wenn auch nur für eine Runde. Mein Vater ging zur Toilette und bat mich, für ihn einzuspringen. Ich war inzwischen 15 Jahre alt. Es war ein Gefühl wie bei der Erstkommunion. Ein neuer Lebensabschnitt hatte begonnen, man gehörte nun fast zu den Erwachsenen. Freilich zitterten die Hände aus Angst, einen groben Fehler zu machen, weil man dann umgehend wieder zum Zuschauen verdammt gewesen wäre.
Die dienstägliche Kartenverkuppelungsrunde war übrigens recht erfolgreich: Zwei meiner Schwestern sind seit fast 20 Jahren mit ihren Zocker-Bekanntschaften verheiratet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen