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Zlatkoeske Massenunterhaltung

betr.: „Neues vom Fleischmarkt“ von W. Droste, taz vom 5. 1. 01

Wenn ein mittelmäßig attraktiver Mann, der behauptet Millionär zu sein, es aber nicht ist, im Fernsehen auf Brautschau geht, ist das schlimm. Wenn 45 Frauen vor einem Millionenpublikum herumstaksen, um aller Welt ihre Hirnlosigkeit zu demonstrieren, ist das schlimmer. Womöglich noch etwas schlimmer ist die Tatsache, dass sie gerade diese Hirnlosigkeit sowohl zur Partnerin des „geheimnisvollen Millionärs“ als auch zum Fernsehauftritt an sich qualifiziert. Das schlimmste ist aber das Tauziehen der beiden Sender RTL und Sat.1 um das peinlichere Geblöke. Das Erschreckendste dabei ist nicht einmal, dass RTL mit großem Werbegetöse und einer kurzfristigen Änderung des Programms das Plagiat noch vor dem „Original“ auf die Mattscheibe hievte und dabei den Flüchtigkeitsfehler des unechten Millionärs machte. Nein, die Krone der Schmach setzten sich die Sat.1-Verantwortlichen auf, als sie den Millionärsschwindel bei RTL mit den Worten kommentierten, man habe bei der Konkurrenz „jegliche journalistische Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen“. Nicht dass angesichts der heutigen Medienlandschaft noch jemand ernsthaft glauben könnte, dass so etwas wie journalistische Sorgfalt überhaupt existiert, aber wie peinlich muss das gewesen sein, als exakt der nämliche Fauxpas bei Sat.1 mit ihrem Raymond Krichel (mit Betonung auf dem „chel“), der eigentlich Raimund Krichel (wohl mit Betonung auf dem „i“) heißt und kaufmännischer Angestellter ist, ebenfalls passierte. Wer auch immer da zuletzt und am Besten in sein schmutziges Fäustchen gelacht hat: Ein Meilenstein des deutschen Fernsehens waren beide Shows allemal. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in die finsteren Abgründe der zlatkoesken Massenunterhaltung. FLORIAN BECKER, Bad Waldsee

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