: Zitterpartie für die Grünen Triumph für Kohl/Genscher Oskar Lafontaine abgehängt
■ Grüne nicht mehr im Bundestag? /FDP Wahlgewinner /PDS mit mehr als 10% im Osten im Bundestag
Berlin (taz ) — Deutschland vereint — und die Grünen müssen zugucken: Diese Möglichkeit deutete sich gestern abend nach den ersten Hochrechnungen an. Nach Meinung der ARD-Rechenkünstler bleiben die West-Grünen unter fünf Prozent der Stimmen. Nur im Osten konnte das Gespann Bündnis 90/Grüne die Fünf-Prozent-Hürde klar überspringen. Auch das ZDF sah die Grünen um kurz vor 19 Uhr nur noch bei 4,8 Prozent. Danach kommt kein West-Grüner in den Bundestag.
Helmut Kohl dagegen darf zufrieden sein: Der schwarze Riese und seine CDU zockten in Ost wie West um die 45 Prozent der Stimmen ab — rund ein Prozent mehr als bei den Wahlen im Jahre 1987. Auch in den fünf neuen Bundesländern konnte die CDU nochmals zulegen.
Verbitterung dagegen bei der SPD: Parteichef Vogel beharrte zwar mit fester Stimme darauf, inhaltlich mit den sozialdemokratischen Positionen richtig zu liegen. Nur können sich die Sozialdemokraten dafür nichts kaufen. Die Partei landete nur bei rund 35 Prozent der Stimmen und unterbot ihr ohnehin schon schlechtes Ergebnis der letzten Bundestagswahlen nochmals um etwa zwei Prozent.
Als Sieger fühlen dürfen sich dagegen Außenminister Genscher und die FDP. Mit etwa 10 Prozent der Stimmen konnten die Liberallala-Liberalen nochmals einen Prozentpunkt zulegen. Die CSU erreichte in Bayern etwa 51,5 Prozent. Ihr ostdeutscher Ableger DSU versank erwartungsgemäß in der Bedeutungslosigkeit.
In jedem Fall wird im neuen deutschen Bundestag die PDS/Linke Liste vertreten sein. Die Gysi-Truppe erreichte im Westen zwar nur etwa 0,5 Prozentpunkte. Im Osten dagegen gelang es der Partei, nochmals rund zehn Prozent der Wähler für sich zu begeistern.
In einer ersten Stellungnahme sprach für die Grünen der Bundestagsabgeordnete Hubert Kleinert von einem Debakel. In der ARD-Wahlsendung sagte der Grünen-Politiker, die schlimmsten Befürchtungen hätten sich bestätigt. Das schlechte Ergebnis stehe für die Politik der sogenannten Realos, die im Bundesverband der Grünen bis heute eine Mehrheit gehabt haben. Als „schmerzliche Niederlage“ hat die Bundesgeschäftsführerin der SPD, Anke Fuchs, das nach den bisherigen Hochrechnungen ermittelte Ergebnis für ihre Partei bezeichnet. Sie äußerte aber zugleich Freude darüber, daß nach der Bundestagswahl „stabile Verhältnisse“ im Bundestag herrschen. Der Wahlkampfmanager von Oskar Lafontaine, Reinhard Klimmt, räumte ein, bei der Wahl habe das linke Lager in der Bundesrepublik insgesamt Stimmenanteile eingebüßt. Dies läge an den „nationalen Motiven“, die bei dieser Abstimmung eine starke Rolle gespielt hätten, betonte Klimmt im Fernsehsender RTL plus.
Kanzler Kohl ließ sich nicht vor den versammelten Fersehkamers blicken. An seiner statt feierte die zweite Riege von de Maizière bis Stoltenberg den Erfolg der Union. Der Einsatz für die Einheit Deutschlands habe sich gelohnt, so der stellvertretende CDU-Chef de Maizière. Von einem hervorragenden Ergebnis sprach auch FDP- Chef Lambsdorff. Nach Hochrechnungen könnte es den Freidemokraten sogar erstmals gelungen sein, in Genschers Heimatstadt Halle ein Direktmandat zu gewinnen.
PDS-Chef Gregor Gysi zeigte sich darüber zufrieden, daß seine Partei in den Bundestag einzieht und sah rosarot für die Zukunft. Bei den nächsten Bundestagswahlen sieht er schon glatte fünf Prozent für die PDS. SEITE 2
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