: Zirkus Luftikus Interruptus
Regierungskrise ausgekriselt: Rot-Grau Hamburg stimmt mit den anderen SPD-regierten Ländern gegen das Bonner Sparpaket ■ Von Silke Mertins
Etwas neidisch beäugte Justizsenator Hoffmann-Riem (parteilos) das Blitzlichtgewitter, das auf seinen Stuhlnachbarn, Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), niederging. Der nämlich hatte sich gestern auf der Landespressekonferenz zur vierten Regierungskrise dieses Jahres die ungeteilte Linsen-Aufmerksamkeit mit einer neuen Frisur (nun wieder bekennender Scheitelträger) erschlichen. Doch bevor der von der Statt Partei gestellte Senator Gegenstrategien ersinnen konnte, kam die erlösende Frage: Regierungskrise beendet?
Welche Regierungskrise? Der Senat hat einvernehmlich beschlossen, „im Bundesrat den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel anzurufen, die sozialen Unausgewogenheiten in den Gesetztesbeschlüssen zu korrigieren“ und „zusätzliche Belastungen der Landes- und Kommunalhaushalte zu verhindern“, so die Senatsentscheidung. Soll heißen: Hamburg stimmt mit den anderen SPD-geführten Ländern im Bundesrat dafür, das Bonner Sparpaket nicht zu akzeptieren und Nachbesserungen zu versuchen.
Mit diesem Senatsbeschluß hat sich die SPD nach tagelangem Gezeter der Statt Partei durchgesetzt. Die Grauen wollten nicht akzeptieren, daß die Hamburger Sozis mit einem klaren Abstimmungs-„Nein“ gegen das Bonner Streichkonzert Position zu beziehen gedachte; Statt forderte vom großen Kooperationspartner die bei rot-grauer Uneinigkeit vorgesehene Enthaltung im Bundesrat.
Das Sparpaket-Thema „geht uns an die Gräten“, erklärte Bürgermeister Voscherau die sozialdemokratische Aufgeregtheit. Daß er alle Senatoren aus dem Urlaub zurückgepfiffen hätte, habe sich gelohnt. Den „Mord- und Brandreden, die ich im Bundesrat gehalten habe“, müßten nun Taten im Namen der sozialen Gerechtigkeit folgen.
Erstaunlicherweise fühlt sich auch die Statt Partei als Sieger. „Wir haben heute in Hamburg etwas bewegt“, belustigte Statt-Gruppen-Chef Achim Reichert die Presse. Das „Abgehen von der ursprünglichen Verweigerungshaltung ist der SPD schwergefallen“, glaubt Reichert. Die Kosten, die durch die Verschiebung der Armut auf die Länder zukommen könnten, würden „sehr hochgespielt“.
Das allerdings sieht der von Statt entsandte Justizsenator Hoffmann-Riem anders. Bereits gestern hatte er klargestellt, daß er das Sparpaket für „unausgewogen“ und deshalb „Nachbesserungen“ für erforderlich hält. Zur Gesichtswahrung wird die Schlappe der tolpatschigen Stattianer zum „konstruktiven“ Ansatz umformuliert, der im gegensatz zur „Blockadepolitik“ der SPD stünde.
Im Ergebnis aber bleibt es das gleiche: Am kommenden Freitag stimmt Hamburg konstruktiv gegen das Sparpaket, die anderen SPD-regierten Länder heben destruktiv ihre Hände für dasselbe Anliegen. Denn erst nach dem Beschluß des Vermittlungsausschusses, dessen Vorsitz Voscherau im August übernimmt, kann der Bundesrat sich direkt gegen das Sparpaket aussprechen.
Und dann könnte es erneut zur Kooperationskrise kommen. Falls es die Kooperation dann noch gibt.
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