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Zinsen näher am Konjunkturniveau

■ Bundesbank senkt Leitzinsen Diskont und Lombard um je 0,5 Prozent / Sechster Trippelschritt in diesem Jahr / Unternehmerverband DIHT glaubt nicht an belebende Wirkung auf die schlappe Konjunktur

Frankfurt/Berlin (dpa/taz) – Die Deutsche Bundesbank hat gestern den Diskont- und Lombardsatz jeweils um einen halben Prozentpunkt auf 6,25 und 7,25 Prozent gesenkt. Es ist die sechste Leitzinssenkung in Deutschland in diesem Jahr. Die Bundesregierung begrüßte den Schritt. „Mit dieser Entscheidung unterstützt die Bundesbank die Bemühungen um die Wiedergewinnung des Wirtschaftswachstums innerhalb und außerhalb Deutschlands“, sagte Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU). Mit niedrigen Zinsen verbindet sich die Hoffnung auf eine Konjunkturbelebung, weil für Unternehmen Kredite für Investitionen billiger werden.

Die Bundesbank begründete die Fortsetzung ihrer „Politik der vorsichtigen Zinssenkung“ mit dem Hinweis auf das nachlassende Geldmengenwachstum. Es werde nach bisherigem Informationsstand möglicherweise geringer ausfallen „als aufgrund der hohen Devisenmarktinterventionen von Ende Juli zu befürchten war“. Als weiterer Grund wurde das allmähliche Nachlassen des Preisanstiegs und die Stärke der D-Mark an den Devisenmärkten genannt.

An den Finanzmärkten löste die Entscheidung des Zentralbankrates keine Überraschung aus. Die Aktienbörse setzte ihren Konsolidierungskurs fort, der DAX schloß mit 1.880,81 Punkten und damit 4,48 Punkte niedriger als am Mittwoch. An den Devisenmärkten wurde die deutsche Leitzinssenkung mehr oder weniger zur Kenntnis genommen. „Das war eben keine Sensation mehr, das lag in der Luft“, meinte ein Banker. „Die Bundesbank hat ihren Spielraum ausgenutzt.“ Er erwarte, daß nun auch die Zinsen für kurzfristige Termineinlagen weiter zurückgehen. An den europäischen Aktienmärkten löste der Schritt der Bundesbank leichte Kurserholungen aus.

Die Währungshüter kündigten zugleich an, daß sie auch den dritten Leitzins, den Satz für Wertpapierpensionsgeschäfte ermäßigen wollen, und zwar im Rahmen eines Mengentenders zum Festzinssatz von 6,7 (bisher 6,8) Prozent. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt sagte, der Beschluß werde dazu beitragen, die „inzwischen deutlicher erkennbaren Auftriebskräfte in der Wirtschaft zu stärken“. Die Bundesbank habe die Spar- und Konsolidierungsanstrengungen der Wirtschaft gewürdigt. Wichtig sei, daß die Stabilitätspolitik der Bundesbank durch Umsetzung der von der Bundesregierung vorgelegten Sparmaßnahmen auch bei Ländern und Gemeinden unterstützt werde.

Kritisch äußerte sich der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT), der die Leitzinssenkung als „fragwürdig“ bezeichnete. Wenn trotz übermäßiger Geldmengensteigerung die Zinsen weiter gesenkt würden, gerate die geldmengenorientierte Stabilitätspolitik der Bundesbank in Zweifel. Positive Auswirkungen auf die Konjunktur sollten nicht zu hoch veranschlagt werden.

Seit Jahresbeginn hat die deutsche Notenbank die Leitzinsen kontinuierlich nach unten geschleust: den Diskont um zwei Punkte, den Lombard um 2,25 Punkte. In Bankkreisen wird damit gerechnet, daß sich die Talfahrt der Leitzinsen in diesem Jahr fortsetzt. „Zum niedrigen wirtschaftlichen Konjunkturniveau gehören auch niedrige Zinsen“, meinte ein Volkswirt.

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