Zickzack-Kurs der EU in der Nahostfrage: Kakofonie in Brüssel
Die EU-Außenpolitik bietet derzeit ein chaotisches Bild. Ursula von der Leyen fährt den eigentlich Zuständigen gern in die Parade.
F rüher hatte die Europäische Union einmal einen klaren Kurs in der Nahostpolitik. Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser hieß es zu Zeiten des ersten „Außenministers“ Javier Solana. Doch zwanzig Jahre später, unter Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihrem Außenbeauftragten Josep Borrell, herrscht Chaos.
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel ließ von der Leyen zunächst verkünden, alle EU-Hilfen für die Palästinenser sollten unverzüglich gestoppt werden. Als Proteste aus Spanien kamen – der Heimat von Borrell –, pfiff sie ihr „Team Europe“ zurück und wollte die Zahlungen nur noch überprüfen. Doch auch dabei sollte es nicht bleiben.
Von der Leyen reiste nach Israel, schlug sich auf die Seite Israels und vergaß, die humanitäre Not der Palästinenser in Gaza zu erwähnen. Wieder hagelte es Proteste – diesmal nicht nur aus Spanien, sondern auch aus Frankreich, Irland und Belgien. Die Reaktion: Die humanitäre Hilfe wurde über Nacht verdreifacht. Jetzt kommen schon wieder neue Töne aus Brüssel. Die EU fordert mehr Hilfe für Palästinenser – und zwar von allen. Man begrüße die Absicht Israels, die Lieferungen von Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten aus Ägypten nicht zu behindern, so ein Sprecher. Doch das reiche nicht, um den internationalen Verpflichtungen nachzukommen.
Geht’s noch? Erst stellt sich die EU-Kommission hinter Israel und „vergisst“ sogar, die völkerrechtswidrige Blockade des Gazastreifens zu kritisieren. Und nur wenige Tage später präsentiert sie sich als Champion der humanitären Hilfe – und macht Tel Aviv Vorhaltungen? Das ist kein klarer Kurs, das ist blanker Opportunismus.
Ursula von der Leyen folgt wieder einmal den USA. Seit US-Präsident Joe Biden gefordert hat, Israel müsse wieder Hilfsgüter nach Gaza kommen lassen, ist plötzlich auch die EU-Kommission dieser Meinung. Dabei hätte es genügt, den für Außenpolitik eigentlich zuständigen Borrell zu fragen. Der Spanier hatte dies nämlich von Anfang an gefordert. Er versteht etwas vom Nahen Osten, von der Leyen nicht. Sie sollte von der Außenpolitik lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern