■ Das Portrait: Zhu Rongji
Foto: Reuter
Sein Aufstieg ins Zentrum der chinesischen Macht ist vielversprechend. Ohne vorher dem Politbüro angehört zu haben, erhielt Zhu Rongji gleich einen Sitz in dessen Ständigem Ausschuß, dem höchsten Gremium in der KP- Hierarchie. Er gilt nun als aussichtsreicher Nachfolgekandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, das im kommenden Frühjahr neu besetzt werden soll. Der jetzige Amtsinhaber Li Peng, dessen Stellvertreter Zhu seit 1991 ist, hat wohl kaum Chancen auf eine Wiederwahl.
Für einen Führungsposten im heutigen China bietet Zhu die besten Voraussetzungen: 1928 in Hunan, der Heimatprovinz Mao Zedongs geboren, ist er seit der Gründung der Volksrepublik im Jahre 1949 Parteimitglied. Wie Song Ping und Yao Yilin, die beiden jetzt zurückgetretenen Mitglieder des Ständigen Ausschusses, studierte er an der renommierten Pekinger Qinghua-Universität. Dort brachte er es sogar bis zum Professor. Doch es hielt ihn nicht in der Wissenschaft. Mehrere Jahrzehnte arbeitete er in den staatlichen Kommissionen für Planung und Wirtschaft.
1987 kam er nach Shanghai, der Heimat des immer noch einflußreichen orthodoxen Wirtschaftsplaners Chen Yun, und wurde dort Bürgermeister und Stellvertreter des Shanghaier Parteisekretärs Jiang Zemin. Der ist heute KP-Parteichef. Als „fähiger Wirtschaftsreformer“ genießt Zhu die Unterstützung Deng Xiaopings. Er hat seine Aufstiegschancen bisher nicht durch riskante Vorstöße in Richtung auf politische Liberalisierung geschmälert. In seiner neu geschaffenen Funktion als über den Ministerien schwebender Wirtschaftskontrolleur wird er dafür verantwortlich sein, daß die staatlichen Großbetriebe, die nur noch Verluste machen und das Staatsbudget enorm belasten, schließlich abgewickelt werden.
Zhus Rongjis Wahl in den Ständigen Ausschuß ist ein gutes Beispiel für die ehrgeizige Personalpolitik der beiden wichtigsten Altkommunisten der Partei, Deng Xiaoping und seines Rivalen Chen Yun: Das Gremium besteht jetzt mehrheitlich aus Reformern im Sinne Dengs. Doch keiner der drei Neulinge kommt aus den wirtschaftlich erfolgreichen Südprovinzen, aus Guangdong oder Sichuan oder gar der an Hongkong angrenzenden Sonderwirtschaftszone Shenzhen. Alle stammen aus Chens ostchinesischer Heimat — oder machten dort Karriere. Thomas Kampen
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