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Zerfallsprozeß in der französischen Rechten

Nach den Wahlniederlagen im Frühjahr vergrößern sich die Risse im Rechtsbündnis UDF / Das Rechtsbündnis ist zerstritten über die Haltung gegenüber der sozialistischen „Politik der Öffnung“ und das Verhältnis zur rechtsradikalen Nationalen Front  ■  Aus Paris Beate Seel

Nach ihren Niederlagen bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Frühjahr sind die französischen Rechtsparteien derzeit bemüht, ihre Position in einer veränderten politischen Landschaft neu zu formulieren. Zum einen müssen sie Stellung gegenüber einer sozialistischen Regierung beziehen, die die „Öffnung“ zur Rechten auf ihre Fahnen geschrieben hat, zum anderen ist ihnen mit der rechtsradikalen Nationalen Front (FN) ein Konkurrent um die Wählerstimmen herangewachsen. Die Risse innerhalb der französischen Rechtsparteien, die in der Dachorganisation UDF (Union der französischen Demokratie) zusammengeschlossen sind, haben sich vertieft.

In Sachen „Öffnung“ war es der ehemalige Ministerpräsident unter Giscard, Raymond Barre, der den Reigen der Debatte im Rahmen der sogenannten Sommeruniversitäten der einzelnen Parteien eröffnete. Der Oppositionspolitiker erklärte, die Politik des sozialistischen Präsidenten Fran?ois Mitterrand entspräche dem, „was für Frankreich nötig ist“. Damit zog sich Barre, der offenbar bereits darauf spekuliert, nach Michel Rocard zweiter Ministerpräsident unter Mitterrand zu werden, den Unwillen seiner Freunde aus dem rechten Lager zu, die ihm vorwarfen, eine Wende von 100 Grad vollzogen zu haben. In einem langen Schreiben an Rocard legte CDS -Vorsitzender Pierre Mehaignerie dar, unter welchen Bedingungen seine Formation bereit sei, mit den Sozialisten zu stimmen. Zu den Konfliktpunkten zählen in erster Linie wirtschaftliche und sozialpolitische Fragen, wie beispielsweise das Ende der Privatisierungen oder die Finanzierung der Sozialhilfe durch die Besteuerung hoher Einkommen.

Für die Europawahlen im Juni nächsten Jahres schließlich ist bereits die Gründung einer eigenen „zentristischen“ Liste im Gespräch, was das Ausscheren der CDS aus der UDF besiegeln würde. Im Gegensatz zu den Zentristen und Freunden der Öffnung im rechten Lager gibt es jedoch auch solche, die lieber bei Altbekanntem bleiben. Dazu gehört der Vorsitzende der UDF, Valerie Giscard d'Estaing, der es vorzog, die traditionelle Grenzziehung zwischen der Rechten und den Sozialisten zu zementieren, so, als sei von einer „Öffnung“ nie die Rede gewesen.

Am ärgsten in der Bredouille sitzt freilich die RPR (Vereinigung für die Republik) von Jaques Chirac, der seit den Wahlen bis zur Sommeruniversität seiner Partei am letzten Wochenende vollständig in der Versenkung verschwunden war. Die gaullistische RPR hat nicht nur die Wahlniederlagen zu verdauen, sondern sie mußte bei den Parlamentswahlen auch stärkere Einbußen hinnehmen als die UDF insgesamt. Und schließlich stellt sich für die RPR das Problem der Konkurrenz mit den Rechtsradikalen am schärfsten. Die RPR hat hier eine sehr zweideutige Position bezogen: sie lehnt ein Bündnis mit der FN auf nationaler Ebene ab, ist aber durchaus bereit, Absprachen auf lokaler Ebene zu tolerieren.

Die neuesten Äußerungen von FN-Führer Le Pen haben der Gretchenfrage „Wie halte ich's mit der nationalen Front?“ neuen Auftrieb gegeben. Der ehemalige Innenminister Charles Pasqua (RPR) beeilte sich am Wochenende, wohl um seine Partei etwas aus dem Schatten der Ambiguität gegenüber den Rechtsradikalen herauszumanövrieren, die Werte der Gaullisten zu verteidigen, d.h. den Widerstand gegen die deutsche Besatzung hervorzuheben. Weniger Vergeßliche werden sich daran erinnern, daß er seine Akzente auch schon einmal anders gesetzt hat, als er erklärte, grundsätzlich gesehen basierten die RPR und die FN auf den gleichen „Werten“ ...

Den Sozialisten dürfte der Zerfallsprozeß auf der Rechten nur gelegen kommen. Denn jenseits der schönen Worte verfolgt die Politik der „Öffnung“ auch das Ziel, den Rechtsblock zu zerschlagen und damit der Partei im Rahmen einer neuen politischen Konstellation langfristig die Regierungspfründe zu sichern.

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