: Zelebrierte Verletzung und skizzierte Hysterie
■ Hardcore und Noise von Shellac, Melt Banana, US Maple und Hrubesch Youth
Leicht überzogen und etwas pathetisch könnte man hier vom letzten großen Aufbäumen sprechen. Vom Versuch, der kaum mehr existenten und schon gar nicht im gemeinschaftlichen Austausch funktionierenden Noise/Hardcore-Welt alter Schule noch einmal eine Klammer zu geben.
Die zwei Bögen der Klammer sind in diesem Fall Shellac sowie Hrubesch Youth und Happy Grindcore. Letztere, zwei lose Zusammenschlüsse Hamburger Feierabendpunks, waren einst aus dem damals auf der Straße liegenden Wunsch nach eigenem, sofortigem Lärm geboren. Auftritte wurden zelebriert, Verletzungen angekündigt. Kopfpunk 1996. Nach diversen Auflösungen und der ersten Langspielplatte fehlte längst der innere Zwang zum kompromißlosen Spiel.
Dem darin wohnenden Wunsch nach lebendiger Geschichte entspricht von allen Bands der Welt am deutlichsten Shellac. Das Trio um den Independent-Propheten Steve Albini, der zwar die letzte Platte von Nirvana produzierte, aber trotzdem an allen passenden und unpassenden Orten gegen die Musikindustrie wettert, vertritt genau die richtige Mischung aus Wertbeständigkeit und Autorität. Da ist das Desinteresse an Medien, die Pflege von Handarbeit, die Liebe zum Vinyl und natürlich der Lärm, oder besser Noise.
Albini, der einst mit Big Black das Klirren in die Gitarre brachte, ist immer noch ein Gegner von Rock oder, metaphorisch, von Fett in den musikalischen Ritzen. Shellac reduzieren Melodie und Harmonie auf ein Minimum und arbeiten mit kleiner, aber harter Produktion. Die Tatsache, daß Albini schon seit Anbeginn seiner musikalischen Tätigkeit so verfährt, macht zum einen die Musik gerade heutzutage nicht schlechter – vor allem aber Shellac zu einer Bank gegen alles Böse.
Der Ort musikalischer Bewegung, um den sich die beiden Klammern letztlich legen, verortet sich irgendwo zwischen diesen Positionen und doch woanders. Zum einen in Japan, woher die hyperventilierenden Kleinode von Melt Banana stammen. Das Quartett vertont auf seinen zwei bisherigen Veröffentlichungen in 40 kurzen Skizzen Hysterie. Die erzittert in Atemnot und absoluter Gleichzeitigkeit und überholt so gefährliche Fußangeln der Gitarrenmusik mit unzulässiger Geschwindigkeit.
Gemäßigter und doch keinesfalls brav artikulieren sich die in Chicago ansässigen Herren von US Maple. Geadelt durch die Betreuung von Avantgarde-Apologet Jim O'Rourke eiert das Quartett nur scheinbar ziellos durch vielfach gebrochene unspektakuläre Post- Punk-Strukturen. Das schmerzt unterschwellig und hat tatsächlich wenig mit irgendwas außer sich selbst zu tun.
Dennoch zeigen diese Bands, daß da draußen etwas lebt und pumpen so Luft in das Underground-Ritual.
Holger in't Veld
Fr, 31. Mai, 20 Uhr, Fabrik
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