: Zeit und Geld fehlt
■ betr.: "Umwltberatung: Im Osten hui ...", taz vom 10.11.90
betr.: »Umweltberatung: Im Osten hui...«,
taz vom 10.11.90
Seit Jahren bemühen sich veschiedenste Initiativen, gemeinnützige Vereine etc. um die Umweltberatung im ehemaligen West-Berlin. Sieht man von den bezirklichen Umweltämtern ab, die seit 1989 mit spärlicher personeller Ausstattung eingerichtet wurden, ist außer ein paar ABM- oder befristeten Zeitstellen nicht viel an finanziell gesicherten Einrichtungen herausgekommen. Jetzt sieht es ganz so aus, als würden die wenigen bereits bestehenden und eingeführten freien Umweltberatungsstellen zugunsten des alten Wahlversprechens, bezirkliche Umweltämter einzurichten, zusammengestrichen.
Demgegenüber wird in den Berliner Ostbezirken mit 16 Dauerstellen (!) je Bezirk geklotzt, die ganz rasch und ohne offene Ausschreibungen mit »qualifizierten und engagierten Mitarbeitern« besetzt worden sind. Vergessen zu erwähnen hat die taz, daß sich die Mitarbeiter dort — wie auf dem Hearing angesprochen wurde — natürlich erst innerhalb ihrer Stelle einarbeiten und weiterqualifizieren werden; mit solchen Vorstellungen sollte sich im Westteil der Stadt mal jemand um eine Stelle im öffentlichen Dienst zu bewerben versuchen!
Der Gipfel des Zynismus und der Unfairneß ist es, wenn der Staatssekretär der AL-geführten Umweltverwaltung, Klaus Groth, erklärt, daß die nun wegen der Mitteleinsparungen arbeitslos werdenden UmweltberaterInnen die Weiterqualifikation der Mitarbeiter im Ostteil der Stadt übernehmen könnten; auf der Basis von ABM-Stellen — versteht sich! Müssen sich die bisherigen UmweltberaterInnen solche Sprüche von einem AL-Staatssekretär bieten lassen, der im Rausch seiner Machtfülle offenbar jedes Gefühl für Fairneß und Argumentation verloren hat? Oder war es etwa nur Hilflosigkeit angesichts der politischen Vorgaben von oben?
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Es spricht überhaupt nichts dagegen, in Berlin gut ausgestattete Umweltberatungen einzurichten. Warum gilt das dann aber nur für die ehemaligen Ostbezirke, während im Westteil der Stadt eine viel geringere Ausstattung pro Bezirk als ausreichend angesehen wird und die im Kiez etablierten Umweltberatungsläden sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden? Warum werden Stellen in den Ostbezirken ohne Ausschreibung — offenbar sogar ohne genaue Stellenbeschreibung und Prüfung der Qualifikation — einfach als Dauerstellen besetzt?
Im übrigen ist es nicht so, daß die UmweltberaterInnen bisher an den Bürgern vorbei beraten haben und »über Dinge informieren wollten, die die Leute gar nicht wissen wollten«. [...] Es drängt sich der Verdacht auf, daß hinter der Fehlinterpretation der Wunsch steht, die bisherige Umweltberatung der freien Träger zu diskreditieren, anstatt ihren gesellschaftlichen Nutzen womöglich noch anerkennen oder sie gar finanzieren zu müssen. Hintergrund ist die Feststellung, daß sich die bisherige Beratungstätigkeit ganz deutlich an den von den privaten Haushalten nachgefragten Inhalten (Waschen, Putzen, Heimwerker- und Haushaltschemikalien) ausgerichtet hat und die objektiv wichtigen Umweltthemen dieser Stadt (Verkehr, Energie, Wasser, Abfall) nur begrenzt angegangen worden sind. Diese kritische Selbsteinschätzung stammt im übrigen von den in der Beratung Arbeitenden selbst und wurde in einem Workshop bei der Stiftung Verbraucherinstitut formuliert und diskutiert. Um wirkungsvolle Aktionen zu planen und zu gestalten, damit die Öffentlichkeit für die entscheidenden Umweltprobleme dieser Stadt aktiviert wird, benötigt mensch bekanntlich Zeit und Geld; beides wird in Zukunft bei der Umweltberatung im Westteil der Stadt noch mehr fehlen als bisher. Dagmar Saurbier, Umweltberaterin in der VErbraucherzentrale Berlin e.V.
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