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KOMMENTARZeit der Ideologen

■ Zum Streit um das Bleiberecht für jugoslawische Roma in NRW

Im Januar 1990 schien die Vernunft gesiegt zu haben. Damals einigten sich die Vertreter der Roma mit der Düsseldorfer Landesregierung auf ein Verfahren, an dessen Ende die Gewährung des „Bleiberechts“ für heimatlose Roma, deren Asylanträge z.T. zuvor abgelehnt worden waren, stehen sollte. Wohlfahrtsverbände spendeten Beifall, die evangelische Kirche sprach von einem mutigen ersten Schritt, „um den jahrzentelangen Kreislauf aus Diskriminierung, Verfolgung und Hoffnungslosigkeit zu durchbrechen“. Selbst der damalige CDU-Fraktionschef Bernhard Worms versprach, sich für ein Bleiberecht der Roma im europäischen Rahmen einzusetzen. Einer menschlichen, humanen Regelung für eine begrenzte Zahl von Roma stand nichts mehr im Wege.

Acht Monate später steht die administrative Umsetzung des Versprechens indes immer noch aus. Warum? Haben die bettelmarschierenden Roma ihre Anträge nicht in der verabredeten Form gestellt? Hat sich an ihrem Status in der Zwischenzeit irgend etwas geändert? Sind die Ausländerämter vor Ort mit der Bearbeitung nicht nachgekommen? Wer diese Fragen stellt, wird nicht fündig. Sie führen in die Irre. Denn der monatelang währende Schwebezustand hat mit den konkret betroffenden „Bettelmarsch-Roma“ von vor acht Monaten nichts, mit den aktuellen Wanderungen von Roma aus Osteuropa, die seit dem Schleifen der Grenzsperren möglich wurde, dagegen viel zu tun. Und schon gelten die frommen Sprüche von einst nichts mehr. Das große Wort führt nun eine gefährliche, parteiübergreifende Vereinigung von Populisten.

Kein Wunder, daß NRW-Innenminister Herbert Schnoor bei dem Versuch, das Regierungsversprechen in dieser Situation umzusetzen, auch in der eigenen Partei und Regierung auf Granit stieß. Dabei half es nichts, daß Schnoor, den Widerstand wohl ahnend, schon in seinem Erlaß den Kreis der Anspruchsberechtigten — anders als zunächst in Aussicht gestellt — selbst sehr eng zog. Arbeitsminister Hermann Heinemann, noch bei jedem Konflikt im Schatten der Volksseele operierend, war selbst das Wenige zu viel. Auf den Spuren des Schnoor- Erlasses wähnte der Revier-Sozi — wider besseres Wissen zwei unabhängige Tatbestände miteinander verknüpfend — schon hundertausende Roma nach NRW strömen. Tumbe, genüßlich von der CDU begleitete Stimmungsmache eines Ministers, die sich als gefährlicher Unsinn erweisen wird, sollte das jetzt im Prinzip zugestandene Bleiberecht Wirklichkeit werden. Walter Jakobs

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