piwik no script img

Zehn Jahre röhrt der Hirsch

■ Zum Sommerfest in der Oderberger Straße

Die letzten Reste des von Ulbricht geschändeten Berliner Schloß lagern hier. Außerdem noch eine Tischtennisplatte. Im hinteren Zipfel gibt es ein Amphitheater, in dem am Sonntag die Commedia-del'arte-Truppe »La Pazzia Senile« auftreten wird. Dann existieren noch ein Sandkasten, eine Klagemauer und ein Metallhirsch. Bäume und Sträucher inklusive. Den Hirschhof, Ostberlins erstes und einziges alternatives Hinterhofbegrünungsprojekt, wird Zehn. Neun Jahre war der Hof sozialistisch, nun ist er frei, doch wenn er ehrlich ist, der Hof, dann wird er zustimmend nicken, wenn man behauptet, daß es ihm so schlecht nicht gegangen ist. Geld war da. Publikum auch, und ein ABV samt Erlaubnisoffizier haben auf alles schön aufgepaßt. Geld ist leider keins mehr da, Publikum will neu erkämpft sein, aber ABV, der wird erwartet, ist eingeladen. Mittlerweile stapelt er Kisten in der Teppich-Domäne. Ob er kommen wird?

Zehn Jahr Oderbergerhof, wie er genannt wird, das hat zehn Jahre Atmosphäre in dieser Straße geschaffen. Zehn Jahre Kleinkrieg im Verhinderungsgehölz, das hat den Leuten einen Mittelpunkt gegeben, den man ausgiebig im Oderkahn zelebrieren konnte, jetzt im Café Entweder Oder. Zehn Jahre permanentes Sommerfest, das will mit einem erneuten Fest gefeiert sein.

Immerhin 2000.- DM hat das Kulturamt Prenzlauer Berg zur Festivität beigesteuert. Zugegeben nicht viel, doch die Honorare können damit erst einmal erledigt werden. Wie es ansonsten weitergehen wird, ist ungewiß, da sich herausstellen mußte, daß der Hof einst parzelliert gewesen war — und damit privat — , daher möglicherweise den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben wird. Das Gartenamt jedenfalls sah sich außerstande, die Aufsicht über den grünen Hof zu übernehmen. Zur Zeit bemüht man sich um eine ABM-Stelle für das Unkrautjäten. So soll denn das Fest in der Oderberger Straße, das sich über drei Tage erstrecken wird, auch zu Darlegung der Problematik in diesem Gebiet dienen, das mit dem Stadtbad ein weiteres erhaltungswürdiges Objekt zu deklarieren hat.

Getragen wird die Initiative vom Entweder Oderberg e.V., der auch das Fest am Wochenende ausrichten wird. Das Straßencafé wird dann geschlossen sein und stattdessen im Hof sein Bier verhandeln. Der alternative Kinderladen SpielUNKE unter der fachkundigen Leitung des Chilenen und Altmeister des Action-Paintings, Cesar Olhagary, wird die Kinder ruhig stellen, während die Eltern im grünen Grase sich dem Trunke hingeben dürfen. Doch das Ganze soll nicht nur im Prenzlauer Berg stattfinden, sondern auch von ihm gemacht sein. Ellenlanger Prenzlauer-Berg-Rock (wenn sie kommen) aus der Rumpelbude aller Stilrichtungen gniedelt »Das Freie Orchester«. Ansonsten ist die »Bolschewistische Kurkapelle« (die mit der großen Tuba) angemeldet. Vielleicht kommen auch »Kampanella is Dead«, die auch nicht übel sind.

Am Freitag gibt es Freiluftkino — wie anders: über Berlin. Kohlhaases 57er Streifen »Berlin — Ecke Schönhauser« wird sicher noch mal zum Kult-Movie. Das Hof- Kino soll übrigens in seiner Tradition erneut belebt werden. Alle vierzehn Tage ein Film. Bis September würde man da sicher noch sechs Filme über die Bühne kriegen. Nur zu! Ansonsten: Essen & Trinken kommt am Sonntag aus Italien. Pizza und Spaghetti. Ich will ja nicht meckern. Volker Handloik

Die Termine finden sich an den jeweiligen Tagen unter der Rubik »Feste«.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen