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Zehn Jahre AIDS

■ Talkschwuz Extra / Mein lieber Lutz Erich... * Ein Brief an den Moderator

Mein lieber Lutz Ehrlich,

als Journalist kennst du sicher die dümmliche Mär, daß in unserem Staate ja die Medien das Sagen hätten und nicht etwa das Kapital — Deinetwegen fange ich noch an, daran zu glauben:

Wegen Dir stöhnt ja mittlerweile nicht nur die Monats-, sondern auch die Tagespresse, hat sie sich einmal bereiterklärt, Dein TalkSchwuZ im voraus mit einigen Zeilen zu würdigen: Denn nie, wirklich nie steht der Ablauf zum Redaktionsschluß fest! Du planst immer erst am selben Abend, sagst Du und gibst damit zu, was das Publikum längst gemerkt hat. Wie genial also Deine Idee, mich zu bitten, in meinem taz-Artikel ein ausgefeiltes Konzept fürs heutige TalkSchwuz zu präsentieren, damit Du Faulpelz es einfach übernehmen kannst.

O.K. Lutz, Dein Thema heißt »10 Jahre Aids«, am 3.7.81 war in der US- Presse zum ersten Mal von einem »mysteriösen Schwulenkrebs« die Rede. Schon ein erstes Kopfzerbrechen bereiten mir Deine bislang geladenen Gäste: Nichts gegen Charlotte von Mahlsdorf, Georgette Dee, Janina Schreiber oder das grinsende Moderatoren-Duo vom Homo-TV — doch mit Verlaub, deren Kompetenzen liegen auf ganz anderen Gebieten, glaub's mir. Gewiß, du willst keine Trauershow moderieren, willst die Zuschauer unterhalten, doch schließt sich beides wirklich aus? Gibt es nicht offen positive Künstler und Politleute, die kompetent und engagiert sind und zudem nicht langweilen?

Natürlich: Du hast nicht vor, alle Gäste in einer einzigen Runde zu befragen, willst zweiteilen: in eine ernste Runde mit Matthias Frings und AktivistInnen verschiedener Aids-Gruppen und in eine unterhaltsame mit den oben genannten Stars. Doch damit führst Du indirekt gerade das vor, was die Aids-Hilfe in der TalkSchwuZ-Ankündigung kritisiert, nämlich Aids »vom Schlaglicht ins Abseits« zu schieben. Mensch Lutz, kannst Du Aids denn nur noch dann thematisieren, wenn Du gleichzeitig davon ablenkst?

Doch ich hab' eine Idee: Teile nicht Deine Talkrunden, sondern das TalkSchwuZ insgesamt: Du selbst ziehst mit Charlotte, Georgette und Laurent die Potse hoch ins »Strada«, Ihr macht euch dort einen netten Abend, und wer mitkommen will, den nehmt Ihr mit - das »Strada« ist ja groß genug. Im BKA-Zelt moderiert dagegen Matthias die Show zum versprochenen Thema — als TalkSchwuZ extra-spezial sozusagen und mit ausreichend Beteiligung des Publikums.

Und fürs nächste Mal, lieber Lutz, beginne doch mit der Planung einfach ein wenig früher. Gerne setz' ich mich dafür auch mit Dir zusammen. Ich weiß, für das bißchen Geld arbeitest Du nicht gerne Wochen im voraus; das kann ich selbst sehr gut verstehen. Du sagtest im übrigen, ein kleines Honorar für mein TalkSchwuZ-Konzept ließe sich schon ermöglichen. Ehe ich es also vergesse: Meine Kontonummer erfährst Du von der Honorarabteilung der taz. Bis heute abend Dein Micha Schulze

20UHRIMBKA-ZELTANDERPHILHARMONIE

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