: Zarte Lämmer, harte Männer
Innereien gelten als besondere Delikatesse, der Wein ist kräftig aber originell. Gaumenfreuden auf Sardinien. Eine kulinarische Reise ■ Von Norbert Nepaschink
An sardischen Festtagen bleibt die Küche kalt, schwitzen draußen an großen Feuerstellen die Männer. Gerötet nicht nur von der Hitze des Feuers, sondern auch vom Wein, bereiten sie an Spießen die arrosti zu; geröstete Lämmer, Zicklein oder Ferkel, möglichst nur wenige Wochen alt und von zartester Beschaffenheit. Die aromatischen Hölzer der Macchia geben dem Fleisch seinen besonderen Geschmack.
Innereien gelten als besondere Delikatessen. So auch das Hirn, das direkt aus den halbierten Schädeln der Tiere gelöffelt wird. Ein kräftiger Rotwein begleitet ebenso unvermeidlich das Mahl, wie das pane karasau dazugehört: ein papierdünnes, knackiges Fladenbrot.
Reisende, die weder Fleisch essen noch Alkohol trinken mögen, sollen vorsichtig sein, daß sie nicht zu einem solchen Mahl eingeladen werden. Denn noch immer gilt in Sardinien, was Gracia Deledda schon 1900 in dem Roman „Die Maske des Priesters“ schrieb: „...man muß essen und trinken, wenn man dazu aufgefordert wird; es ist ganz einerlei, ob die Sonne hoch oder niedrig steht.“
Wer nun aber nicht eingeladen wird und trotzdem auf die geschilderte Art und Weise essen und trinken möchte, der findet diverse Restaurants, die die Tradition der arrosti pflegen. Manche bereiten das Fleisch an großen Kaminen vor den Augen der Gäste zu, und Fisch, vor allem Aale und Meeräschen aus den sardischen Lagunenseen, bereichern das Angebot an Gegrilltem. Je nach Standard wird verfeinert, das Hirn zum Beispiel in Teig ausgebacken und als Vorspeise serviert.
Auf Sardinien wird bei aller Pflege inseltypischer Gerichte die italienische Speisenfolge eingehalten. Nach antipasto folgt ein primo piatto, etwa das pane karasau, in Brühe eingeweicht mit einer salsa die pomodori (Tomatensauce) und einem Ei serviert und mit pecorino sardo bestreut, dem kräftig würzigen sardischen Schafskäse. Das ganze Gericht heißt so zubereitet pane frattau. Oder es gibt malloreddus, auch gnocchi sardi genannt, kleine Nudeln aus Weizengrieß, ohne Ei hergestellt. Sie können mit Safran, Spinat oder Tomate gefärbt sein und etwa con la bottarga serviert werden, mit dem getrockneten und geräucherten Rogen der Meeräsche. Eine Delikatesse, die, in feine Scheiben geschnitten und zu etwas Salat gereicht, auch unter den antipasti zu gesalzenen Preisen auf der Karte stehen kann.
Die muggine (Meeräsche) selber wird unter der Rubrik secondi piatti in vielen Restaurants angeboten. Sa merca heißt die Zubereitungsart, bei der der Fisch in würziges Sumpfgras gewickelt, schonend gegart wird und Fischfreunde begeistert. Solche Restaurants pflegen dann schon eine verfeinerte Küche. Und bieten neben den erwähnten arrosti natürlich auch weiter Fleischgerichte. Pferdeliebhaber sind die Sarden in jeder Beziehung. Ist das Wildschwein auch die begehrteste Beute der zahlreichen sardischen Nimrode, schießen sie für die Köche auch Wildkaninchen, Taube, Rebhuhn und Wachtel. Ja selbst vor Singvögeln wie Dohlen und Drosseln machen Jäger und Feinschmecker nicht halt. Myrtenblätter würzen bevorzugt die Wildspezialitäten. Den Vogelfreund schaudert's trotzdem. Er wendet sich lieber dem Käse zu. Der milde fiore sardo oder der pikante pecorino bilden den Abschluß eines sardischen Menüs.
Typisch ist auch der Wein, der ein sardisches Essen begleitet. Außergewöhnlich und selbst den meisten Weinkennern nicht geläufig sind Rebsorten wie Cannonau, Monica, Nasco, Nuragus, Semidano, Cagnulari oder Torbato. Sie werden nur (noch) auf Sardinien angebaut. Kritikern gelten die sardischen Weine als zu alkoholreich, doch dem Diktat von „schlank“ und „leicht“ um jeden Preis beugen sich die meisten Genossenschaften und Winzer nicht und entgehen so der Gefahr, charakterlose Zeitgeist-Weine zu produzieren. Zeitgemäß hoch sind dagegen die Preise sardischer Osterias, Trattorias und Ristorantes.
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