Zahlen zur globalen Ernährung 2021: 40 Millionen Hungernde mehr

Wegen Corona und Wetterextremen hatten 2021 fast 200 Millionen Menschen akut zu wenig zu essen, so ein UN-Bericht. Nun kommt der Ukrainekrieg dazu.

Ein bauer hat eine schussichere Weste an und schiebt einen rechen

Mit schusssicherer Weste aufs Feld: Bauer in der Ukraine Foto: Ueslei Marcelino/reuters

BERLIN taz | Die Zahl der an akutem Hunger leidenden Menschen ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen – um mehr als ein Viertel. Rund 193 Millionen Menschen hätten dringend Hilfe benötigt, weil sie große Ernährungsdefizite hatten oder sie nur decken konnten, etwa indem sie ihre Existenzgrundlagen – zum Beispiel ihr Vieh – verkauften, berichtete das von UN-Organisationen und der EU gegründete Netzwerk gegen weltweite Nahrungsmittelkrisen. Das seien fast 40 Millionen mehr als der Rekordwert von 2020, heißt es in dem am Mittwoch erschienenen Global Report on Food Crises. 570.000 der Betroffenen in Äthiopien, Südsudan, Südmadagaskar und Jemen waren demnach sogar unmittelbar vom Hungertod bedroht.

Der Krieg in der Ukraine werde die Katastrophe vergrößern, so das Netzwerk. „Die Situation explodiert gerade“, sagte Arif Husain, Chef-Volkswirt des Welternährungsprogramms (WFP). „Daher ist es dringender denn je, die Ursachen von Ernährungskrisen zu bekämpfen und nicht erst zu reagieren, wenn sie bereits eingetreten sind“, erklärten die ExpertInnen. Wenn die Welt nicht angemessen reagiere, würden noch viel mehr Menschen migrieren, warnte WFP-Exekutivdirektor, David Beasley.

Konflikte wie der Krieg im Jemen waren dem Bericht zufolge die Hauptursache dafür, dass vergangenes Jahr 139 Millionen Menschen in 24 Ländern in akute Ernährungsunsicherheit gerieten. Wirtschaftsschocks vor allem aufgrund der Coronapandemie hätten mehr als 30 Millionen Menschen in diese Lage geführt. Bei 23 Millionen Menschen seien es Wetterextreme gewesen.

Der Generaldirektor der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), Qu Dongyu, rief dazu auf, solche Ursachen von Ernährungsunsicherheit stärker zu bekämpfen. WFP-Chef Beasley verlangte auch neue Soforthilfen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine, die bislang einer der größten Getreideexporteure war. „Millionen von Menschen in Dutzenden von Ländern werden an den Rand des Verhungerns getrieben“, so Beasley.

So habe Somalia im vergangenen Jahr mehr als 90 Prozent seines Weizens aus Russland und der Ukraine bezogen, die Demokratische Republik Kongo 80 Prozent und Madagaskar 70 Prozent: „Länder, die bereits mit einem hohen Maß an akutem Hunger zu kämpfen haben, sind aufgrund ihrer hohen Abhängigkeit von Lebensmittelimporten und ihrer Anfälligkeit für globale Preisschocks besonders gefährdet.“

Millionen Tonnen Getreide in Ukraine blockiert

Der Bericht erfasst den akuten im Gegensatz zum chronischen Hunger. Dieser liegt vor, wenn eine Person über einen längeren Zeitraum so wenig isst, so dass sie keinen normalen, aktiven Lebensstil mehr führen kann. Laut FAO waren davon 2020 etwa 720 bis 811 Millionen Menschen betroffen.

In der Ukraine lagern noch von den letzten Ernten mindestens 20 Millionen Tonnen Getreide, wie Agrarminister Mykola Solski vor Kurzem sagte. Das entspricht einer gesamten Weizenernte in Deutschland. Doch die Ukraine kann derzeit nur wenig exportieren, da ihre Seehäfen entweder von den russischen Truppen besetzt oder gesperrt sind. Auf dem Landweg kann lediglich ein kleiner Teil transportiert werden. Die Agrarberatungsfirma APK-Inform berichtete, dass die Ukraine deshalb im April nur 923.000 Tonnen Getreide exportiert habe. Vor einem Jahr waren es der Nachrichtenagentur Reuters zufolge 2,8 Millionen Tonnen gewesen.

AnalystInnen rechnen nun damit, dass nach der kommenden Ernte die Lagerkapazitäten knapp werden. Gleichzeitig steigen Lebensmittelpreise weltweit drastisch, weil Lieferungen aus der Ukraine ausfallen.

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