ZWISCHEN DEN RILLEN : Renitenter Badesee
Woog Riots: „From Lo-Fi to Disco!“ (From Lo-Fi to Disco!/Broken Silence)
Kulturinteressierte kennen die Frankfurter Schule, die Neue Frankfurter Schule und die Hamburger Schule. Doch obschon das Duo, das die Band Woog Riots bildet, in Darmstadt wohnt, kennt es die beiden hessischen Schulen nicht, nur die hanseatische. Das ist ihr Problem.
Erstmals aufmerksam gemacht auf sich hatten die Woog Riots – nach einigen Konzerten – im Jahr 2004 mit der Compilation „Perverted by Mark E. Smith. A Tribute to the Fall“, auf der die Band Tribute-Songs von vielen Indie-Semiprominenten versammelte, darunter Tocotronic und Klaus Walter, aber auch der letzte, eigens für die Compilation eingespielte Song der großartigen Band Locust Fudge sowie ein Song der leider völlig vergessenen I, Ludicrous.
Und obwohl die Woog Riots nur einen eigenen Song zur Doppel-CD beisteuerten, darf diese Compilation als ihr Debüt gelten. Zwei Jahre darauf erschien das Album „Strangelove TV“, das Tobias Levin produzierte und das trotzdem kein Verkaufserfolg wurde. Zwei weitere folgten und nun erscheint ihr Album „From Lo-Fi to Disco!“ auf dem neugegründeten, bandeigenen Label, das genauso heißt wie die Platte.
Silvana Battisti und Marc Herbert bilden das Duo. Sie sind grundsympathisch. Battisti singt, spielt Säge und in vergleichbarer Weise Gitarre. Herbert spielt Gitarre und einiges anderes, singt gern mit ihr im Duett, und gern auch falsch. Die Auftritte der beiden gemahnen immer wieder daran, wie das war vor zwanzig und noch vor zehn Jahren. Damals, als die Indie-Pop-Hörerinnen und -Hörer noch eine eingeschworene Gemeinde bildeten, die keine Lady Gaga und keine Britpop-Zombies verstören konnte; eine kleine Welt, in der man Adam Green sehr ernsthaft vorwarf, dass er Erfolg hatte. In dieser Welt liebte man sich für seine Nerdigkeit, und wenn die Woog Riots „Friends of Mine“ von Adam Green coverten, liebte man das Stück noch viel mehr, weil es dadurch niedlicher geworden war.
Die Coverversion, die sich auch auf ihrem neuen Album findet, stammt bereits aus dem Jahr 2004, das war auch die Zeit, in der sich Anti-Folk, Indiepop und Rumpelelektro bereits in einer ideologischen Krise befanden, einfach weil sie zur Gegenwart nicht mehr viel beizutragen hatten. Dies ist das Problem der Woog Riots.
Die Hessen, die sich nach einem Badesee, dem Woog, benennen und denen Riots gefallen, trauen sich nichts. Einzelne Stücke gefallen außerordentlich, doch man kann das Album nicht an einem Stück hören, ohne traurig zu werden. Denn die Band stellt ihren Voluntarismus nur allzu deutlich aus. Zu gerne wären Battisti und Herbert Teil der längst geschlossenen Hamburger Schule, wären gern Stars in einer heilen Indiepopwelt. „Don’t want to be rich / Don’t wanna be famous“, heißt es gleich im Titeltrack, in dem sie den „Universal Tellerwäscher“ der Sterne anrufen. „Too funk too drug“ heißt ein anderer, reichlich naiver Song, dessen Titel an die Dead Kennedys erinnern soll – aber wer kennt die noch? „What’s so funny about / Money“, heißt es an anderer Stelle, damit zitieren sie Cpt. Kirk &, bei denen ihr zeitweiliger Produzent Tobias Levin sang: „What’s so funny about L’Age Polyd’Or / was ist komisch an viel besserem Gold“. Levin spielte damit auf die problematische Verbindung zwischen dem Indie-Label L’Age D’or und dem Multi Polydor an. Und rief zugleich das für heldenhafte Erfolglosigkeit und musikalische Bedeutung gleichermaßen bekannte Label What’s so funny about an. Dort erschienen die ersten Alben der Woog Riots.
Worauf aber zielen diese damit? Wollen sie über Dissens mit dem Label reden? Über Geld? Einen Gag machen? Es steht zu befürchten: Letzteres. Gags ohne Sinn aber sind Kalauer. „We’re waiting for the new sound“, singt das Popduo altbacken ironisch zu altbackenen Elektrosounds. Wir warten auch. Leider vergebens. JÖRG SUNDERMEIER