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Archiv-Artikel

ZWISCHEN DEN RILLEN Die Dinge in der Schwebe halten

Mac DeMarco „Salad Days“ (Captured Tracks/Cargo) Tom Brosseau „Grass Punks“ (Tin Angel/Rough Trade)

„Salad Days“ ist eine englische Redensart, die beschreibt, was man pathetisch „Tage jugendlicher Unbekümmertheit“ nennen könnte. Der Ausdruck kann allerdings auch bedeuten, dass jemand den Höhepunkt seiner Schaffenskraft erreicht hat, unabhängig vom Alter.

Auf den kürzlich von Montreal nach Brooklyn gezogenen Mac DeMarco, der sein drittes Album „Salad Days“ genannt hat, passen beide Deutungen. Und doch nimmt man ihm seinen Prankster-Humor eher ab als sein bemerkenswertes Songwriting-Talent.

Vielleicht liegt das an DeMarcos kecker Zahnlücke und seinem bizarren bürgerlichen Namen Vernor Winfield McBriare Smith IV. Zwar legen die „Jackass“-mäßigen Stunts bei Live-Shows nahe, dass der 23-Jährige in der tiefsten Pubertät stecken geblieben ist – doch der musikalische Dilettant und Slacker, als der er sich gerne gibt, ist er bestimmt nicht geblieben. Dafür ist die Entwicklung seit dem rumpeligen Debüt „Rock and Roll Night Club“ von 2012 zum bemerkenswerten neuen Werk „Salad Days“ einfach zu rund.

Tag in der Hängematte

Dass es DeMarco gelingt, seine Songs ganz und gar beiläufig klingen zu lassen, wie den Soundtrack zu einem wohltemperierten Tag in der Hängematte, kann nur das Resultat harter Arbeit sein. DeMarcos von einer dengelnden Gitarre vorangetriebene Dreampop groovt, es stecken reichlich disparate Ideen unter der Lo-Fi-Oberfläche der schwebenden Songs, und die Liebeslieder gehen ans Herz. In den Interviews der letzten Wochen hat Mac DeMarco erzählt, wie ihn der Hype nach seinem zweiten Album „2“ überrumpelte und wie ihn die daraus entstandene Erwartungshaltung stresst. Dem Ergebnis nach zu urteilen, konnte er den Druck abperlen lassen. DeMarco hat einfach das verdichtet, was am Vorgängeralbum schon gut war: eine Geschmeidigkeit etwa, der man seine Leidenschaft für Steely Dan anhört.

Und eine anrührende Ernsthaftigkeit, die an Jonathan Richman erinnert – und hoffentlich verhindern wird, dass sich Mac DeMarco zu einer lächerlichen Figur entwickelt, wie der vor zehn Jahren ähnlich gehypte Singer-Songwriter Adam Green. Bei dem kippte das Kokettieren mit Albernheit, das bei DeMarco zumindest auf der Bühne auch zum Programm gehört, ganz schnell ins Nervige. Denn Green konnte nur Ironie, es fehlte ihm die Ambivalenz.

Ähnlich gut wie Mac DeMarco, nicht nur beim Songwriting, auch beim Dinge-in-der-Schwebe-Halten ist Tom Brosseau – auch wenn man seinen Songs anhört, dass er hart um sie gerungen hat. Brosseau ist ein Singer-Songwriter aus Kansas, der mittlerweile in Los Angeles lebt: Auf den ersten Blick ein puristischer Folkie, der sich fast auf ganzer Länge seines aktuellen Albums „Grass Punks“ nur auf seine akustische Gitarre und prägnante Stimme verlässt und den Hörern scheinbar sein Herz ausschütten will – ein vertrautes Format im Innerlichkeitsgenre Folk.

Auf den zweiten Blick allerdings offenbart sich manch doppelter Boden, vor allem auf der Textebene. Gleich im Auftaktsong stimmt Brosseau ein altbekanntes Lamento an: „You don’t pay attention to me anymore“. Doch seine Eifersucht gilt keinem Menschen, sondern einem Smartphone oder Tablet. Er klagt „You just cradle your device“, mit einer Stimme, die wie ein entrücktes Lächeln klingt.

Man weiß wirklich nicht: Ist das nun augenzwinkernd, schon kulturpessimistisch oder einfach nur Ausdruck einer legitimen Frustration darüber, dass Menschen immer weniger im Hier und Jetzt anwesend sind? Überhaupt arbeitet Brosseau gerne mit Phrasen: Er singt „We Meant To Be Together“, oder „Today Is A Bright New Day“, doch dahinter steckt immer eine Geschichte mit unerwarteter Wendung.

Brosseau will uns eben doch nicht sein Herz ausschütten, er lässt seinen Geschichten den Vortritt. Und so ist seine wie auch DeMarcos Musik nicht, was sie zu sein scheint – in einem ganz positiven Sinne.

STEPHANIE GRIMM

■ Mac DeMarco live: 23. Mai im E-Werk, Köln; 24. Mai im Bi Nuu, Berlin; 17. August im Dockville, Hamburg