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ZUM TOTLACHEN

■ „Endstation Krankenhaus“ vom Theatre de la mie de pain in der Ufa Fabrik

Es sind sieben Charaktere, die die Krankenstation bevölkern. In der Reihenfolge ihres Auftrittes haben wir es zu tun mit der ältlichen Krankenschwester vom Typ Dragoner, die ihre vier Kranken befehligt wie ein Unteroffizier, der nach unten tritt und oben buckelt, mit einem Clown, dessen Schicksal die unzügelbare Lust am Rauchen ist, mit einer der Freßsucht verfallenen Patientin, die sich durch die Darbietung ihrer großen quellenden Brüste und durchgängiges Furzen auszeichnet, was die übrigen Damen und Herrschaften ein ums andere Mal schier umhaut, mit einem lüsternen Greis, der außer der Befriedigung seines voyeuristischen Tuns nur noch Spielzeugautos im Kopf hat, mit einem tumben Bauerntölpel, der in die Muttererde so verliebt ist, daß ihm im wahrsten Sinne des Wortes Wurzeln an den Füßen und Blumenkohlohren wachsen, während alle anderen ihn als Objekt ihrer Gemeinheiten benutzen, mit einem Arzt, dessen Existenz abhängig ist von der Erfindung des Allheilmittels, um seine Patienten zu kurieren, und schließlich und endlich mit einem Herrn in schwarz, der als Vertreter für Särge hausieren geht, von Erfolg gekrönt ist und als Sensenmann zum bösen Schluß die gesamte Gesellschaft mit seinem auf Koffergröße zusammenklappbaren Gerät abräumt.

Bevor es allerdings soweit ist, treiben die sieben Akteure mit dem Entsetzen einer Krankenhausstation Scherz. Tobt zwischen den Patienten ein Kampf jeder gegen jeden um des persönlichen Vorteils willen bzw. gegen die Schwester, die, wie es sich zeigen wird, ihren Arzt auch noch abgöttisch bis zur Selbstverleugnung ohne Gegenliebe liebt, so bezieht das Drama seine Impulse aus der übertriebenen Gier nach Leben, aus der mörderischen Tatsache, daß Heilsbringer immer nur das Beste für einen wollen, und wenn auch mit Gewalt. Und es sind drastische Methoden, mit denen Kranke geheilt werden sollen, sei es, daß man ihnen Selbstzüchtigung in Sachen Rauchen beibringt, einem Maulkorb für die Verfressene bereithält, dem Greis den Schädel öffnet, um ihn endgültig zur Marionette zu degradieren, oder den sowieso tumben Toren angemessenerweise zum Versuchskaninchen macht.

Und dennoch, einen letzten Funken Überlebenswillen ist sowohl Patient wie Personal geblieben, und wenn es sie auch den Kopf kostet. Sie verfallen schließlich alle dem einzigen Überlebenden, dem Sargverkäufer, der wirklich für jeden einen speziellen Sarg bereithält, in dem es sich gut leben läßt.

Der Preis, den alle gewillt sind, fürs „Über„leben zu zahlen, ist in dieser tatsächlich bitterbösen Komödie der Tod, über den man sich letztendlich im Theater totlachen kann.

Qpferdach

Terminus Hospital, Endstation Krankenhaus, in der Ufa Fabrik täglich 20 Uhr, bis zum 4.September. Diese Veranstaltung ist nicht gesponsort von einem der bekannten Berliner Begräbnisinstitute.

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