piwik no script img

Wutwelle und Kanal-Arbeit

■ „Offener Kanal“ ist bald gegraben / Der Beauftragte äußert sich

Im Juni 1991 soll er auf Sendung gehen: Der offene Fernseh -Kanal, der parallel in Bremen und Bremerhaven eingerichtet werden wird. Uwe Parpart, seit kurzem „Beauftragter für den Offenen Kanal im Lande Bremen“, hatte am Freitagabend in Bremerhaven zur ersten Informationsveranstaltung des OK eingeladen. Der OK soll, sagt er, ein „Bürgermedium“ sein, mit dem eine „Demokratisierung der Massenkommunikation eingeleitet werden kann“.

Die Sendungen - theoretisch möglich sind 24 Stunden täglich

-werden über Kabelfernsehen verbreitet. So sind, in einer der am dichtesten verkabelten Städte der Bundesrepublik, 60 -70.000 BewohnerInnen erreichbar. Der erste OK ging 1984 in Ludwigshafen auf Sendung. Inzwischen gibt es in fünf Bundesländern dreizehn Offene Kanäle, u.a. in Berlin, Hamburg, Dortmund, Duisburg und Saarbrücken. Bis Ende des Jahres werden sechs weitere Stationen dazugekommen sein.

Der OK ist „kein journalistisches Medium im klassischen Sinne“, sagt Parpart. Es gibt keinen gesetzlich fixierten Programmauftrag wie bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Produzenten verantworten ihre Filme selbst.

Eine Vorkontrolle der eingereichten Sendungen wird nicht stattfinden.

Die Angst vor Norm-Verletzungen scheint nach den bisherigen Erfahrungen der Offenen-Kanal-Arbeiter auch durchaus unbegründet. Mehrere Produktionen des OK Dortmund, die auszugsweise vorgestellt wurden, orientierten sich ausnahmslos an den bekannten Fernsehmustern, berührten weder moralische noch politische noch ästhetische Grenzen und waren ausgewogener als ein Fernsehmagazin.

Für die Sendungen im OK gilt das Prinzip der „Schlange“, die Beiträge werden in der Reihenfolge ihres Eingangs auf die verfügbare Sendezeit aufgeteilt. Zwar soll die Einschaltquote kein Kriterium sein (und deshalb auch nicht gemessen werden), aber Parpart plädiert dafür, die Sehgewohnheiten der TV-BenutzerInnen mit der Einrichtung fester Programm-Schienen zu berücksichtigen. Das hieße: Sport, Lokalpolitik, Life-Diskussionen oder Musik zu regelmäßigen Zeiten.

Um interessierte FernsehmacherInnen zu schulen, will er in Zusammenarbeit mit Weiterbildungsträgern, Schulen und freien Initiativen die Einrichtung von Seminaren und Medienwerkstät

ten betreiben. Eine erste Werkstätte könnnte das in der Volkshochschule installierte Studio des Radioprojekts „Wutwelle“ werden. Das Anfang 1989 gestartete und aus Mitteln der Landesmedienanstalt finanzierte Projekt produziert wöchentlich eine 60-minütige Sendung, die jeweils sonnabends um 17 im dritten Hörfunkprogramm von Radio Bremen ausgestrahlt wird. Die Mittel aber sind begrenzt bis zum Ende des Jahres.

Parpart hat der Projektkoordinatorin Ingrid Scheldt das Angebot gemacht, im Rahmen der Offenen Kanals weiterzuarbeiten. Bis es 1992 möglicherweise eine erste Hörfunk-Frequenz für den Offenen Kanal über Antenne gibt, will er sich dafür einsetzen, daß die „Wutwelle“ weitersenden kann.

„Nicht mehr weitergehen kann die Projektförderung von 100 bis 5000 Mark pro Sendung, sonst könnten wir die ganze Idee der Offenen Kanäle beerdigen.“ Kulturelle Projektförderung, so Parpart, sei Sache der Stadt und nicht der Landesmedienanstalt. Von den an der „Wutwelle“ beteiligten Initiativen war niemand zum Auftakt des Offenen Kanals erschienen. Im Moment sehen sie im OK vor allem ein K.O. für ihre eigene Arbeit. h

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen