: „Wut, die uns motiviert“
■ Frauenbeauftragte beraten über die Zeit nach dem EuGH-Urteil
Bei der Versammlung der Frauenbeauftragten des bremischen Öffentlichen Dienstes gab es gestern Nachmittag ein volles Haus: Über 50 der insgesamt 100 Vertreterinnen waren gekommen, zur Debatte standen die Folgen des Urteils des europäischen Gerichtshofes gegen den § 4 des bremischen Gleichstellungsgesetzes. „Da war viel Wut, die uns motiviert“, faßt Ruth Böke, Frauenbeauftragte am St.-Jürgen-Krankenhaus, die Stimmung zusammen. Die Sachen hingeschmissen habe niemand – alle seien sich aber einig gewesen, daß ohne diesen Paragrafen 4 mehr Arbeit auf sie zukomme.
Die Regelung, daß bei gleicher Qualifikation die Frau den Vorzug haben sollte, hat die Argumentation erleichtert, findet auch Brigitte Melinkat von der Gleichstellungsstelle, sie wirkte also im Vorfeld. „In Zukunft müssen die Frauen sagen: Ich bin besser.“ Das sei im Einzelfall eben aufwendiger. Denn auch wenn die Kriterien für Qualifikation im Öffentlichen Dienst in manchen Fällen formell festgelegt sind, bleibt ein weiter Ermessenspielraum. Personalchefs und Abteilungsleiter sind aber in den meisten, Personalräte in vielen Fällen Männer, Berufungsrunden also Männer-Runden, sagt Ruth Böke, und da fürchtet sie, daß nah dem Urteil Hoffnungen auf alte Seilschaften aufblühen. „Manche haben Angst vor dem Gefeixe in den Dienststellen“, sagt Brigitte Melinkat. Die Stimmung könnte kippen, das ist das Entscheidende.
Die Gleichstellungsstelle weiß nicht genau, in wievielen Fällen dieser Paragraf 4 nicht nur im Vorfeld die Entscheidungsfindung beeinflußt hat, sondern wirklich ein Argument war. Erst wenn es formelle Beschwerden gibt, kommt ein Fall auch bei der Gleichstellungsstelle auf den Tisch. Aber aus Sorge um Nachteile in ihrer weiteren Laufbahn überlegen es sich die meisten dreimal, bevor sie in Beschwerde gehen oder sogar gegen den Dienstherren klagen.
Ruth Böke ist seit 5 Jahren Frauenbeauftragte an der Klinik. „Bei uns gibt es keine einzige Quotenfrau“, sagt sie, will sagen: Dieser Paragraf 4 ist in keinem Fall das Argument gewesen. Wann immer Frauen Sicherheitsingenieurinnen oder Oberärztinnen geworden sind, waren sie auch qualifizierter als ihre männlichen Mitbewerber. Böke deshalb: „Bei uns ändert sich nichts.“ Nur eben das Klima, und eventuell die erforderliche Arbeit, um qualifizierten Frauen auch gegen männlichen Seilschaften zum Erfolg zu helfen.
Auf ihrer letzten Versammlung hatten die Gleichstellungsbeauftragten den Anwalt der Hansestadt , Dr. Lohfeld, eingeladen, um sich von ihm berichten zu lassen, in welcher Weise er ihre Interessen rechtlich vor dem EuGH vertritt. Die Urteilsschriftsätze der Landes- und Bundesarbeitsgerichte, hatte Lohfeld erklärt, seien so umfassend, was die Begründung im deutschen Recht angeht, daß er da zusätzlich nichts vorzutragen brauche.
Daß der CDU-Bürgermeister Ulrich Nölle eigens mit seinem Pressesprecher nach Luxemburg geflogen war, um vor Ort das Urteil anzuhören und sich über die bremische Prozeßniederlage öffentlich zu freuen, war am Rande der Frauenbeauftragten-Konferenz mit Befremden thematisiert worden. K.W.
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